Vietnam von der Klimakrise bereits hart getroffen
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Lan Pham Thi Phuong und Ha Chu sind Vietnam Expertinnen und haben bei der internen Fachtagung zum Thema Klimaschutz des Österreichischen Komitees für Soziale Arbeit (ÖKSA) ein Klimaschutz-Projekt aus Vietnam vorgestellt. So haben wir uns kennengelernt. Das Projekt ist bemerkenswert, und die aktuelle Situation im Flußtal des Mekong erschütternd. Denn, während in Österreich der Klimawandel erst langsam spürbar wird, ist Vietnam und insbesondere das Mekong-Delta von den Auswirkungen bereits hart getroffen.
Der Mekong tritt über die Ufer
Seit je her tritt der Mekong im Delta über die Ufer und überschwemmt die umliegenden Gebiete. Die Überflutungen zerstören Häuser und Straßen, vernichten die Ernte. Das war schon immer so. Im Jahr 2000 allerdings kostete die Flut 600 Menschenleben. Und die Regenfälle sind in den letzten zehn Jahren unberechenbar geworden. Perioden mit extremem Niederschlag wechseln sich mit langen Trockenphasen ab. Oft ist es jetzt so, dass Bauern und Bäuerinnen aufgrund des fehlenden Regens für die Bewässerung auf das Grundwasser zurückgreifen müssen. Der ohnehin niedrigere Grundwasserspiegel sinkt dadurch weiter ab. Die Folge ist, dass Meereswasser ins Grundwasser gelangt. In den Jahren 2015 und 2019 war die Kombination aus Dürre und versalzenen Böden besonders schlimm. 120.000 Haushalte mussten um ihre Existenz bangen.
Auch die Mangrovenwälder gehen zurück
Auch die Mangrovenwälder gehen jährlich zurück. Ein Grund ist die Abholzung für Land- und Wasserwirtschaft. Ein anderer, dass aufgrund der Versalzung der Böden, die Bedingungen sogar für die Überlebenskünstler zu unwirtlich werden. Die Reduktion der Wälder bedeutet nicht nur einen Verlust der Biodiversität, sondern wirkt sich auch auf die lokale Bevölkerung in vielerlei Hinsicht negativ aus. Zum einen bieten die Wälder Schutz vor Erosion, Überschwemmungen und Extremwetterlagen, zum anderen stellen sie eine wichtige Einnahmequelle für die Bevölkerung dar.
Vor allem ärmere Bevölkerungsgruppen leben vom Sammeln von kleinen Fischen, Krabben, Muscheln in den Mangroven, die sie auf lokalen Märkten verkaufen. Doch auch die Subsistenzwirtschaft, also der Anbau von Gemüse, ist aufgrund der versalzenen Böden nur mehr eingeschränkt möglich.
Im Mekong-Delta ist deshalb bereits ein Viertel der Menschen von Armut betroffen. Im restlichen Vietnam sind es 2,25%. Frauen sind noch stärker vom Klimawandel betroffen als Männer. Ihnen fehlt häufig der Zugang zu Informationen und Ressourcen zum Umgang mit der Klimakrise.
Immer mehr Menschen sind gezwungen, das Mekong-Delta zu verlassen.
Immer mehr Menschen sind gezwungen, das Mekong-Delta zu verlassen. Der Haupttreiber ist die Armut, die durch den Klimawandel noch weiter verschärft wird. 14,5 % nennen aber explizit den Klimawandel als Grund für den Wegzug. Es ist anzunehmen, dass er Prozentsatz in den kommenden Jahren ansteigen wird. Bei einem Anstieg des Meeresspiegels von einem Meter, gehen 38% des Mekong-Deltas verloren. Fünf Millionen Menschen müssten ihre Heimat verlassen.
Das Ministerium für Natürliche Ressourcen und Umwelt (MoNRE) rechnet damit, dass dieses Szenario 2100 eintreten wird. Andere Studien gehen davon aus, dass das Mekong-Delta bereits 2050 komplett verschwunden sein wird.
Aufforstung der Mangrovenwälder
Die Hauptstrategie der vietnamesischen Regierung, um das Delta von den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen, ist die Aufforstung der Mangrovenwälder. Auch das österreichische Klimaschutzministerium finanziert ein Aufforstungsprojekt mit 500.000 Euro. Durchgeführt wird das Projekt von Brot für die Welt Deutschland und AFV.
Ha Chu berichtet, dass innerhalb von drei Jahren 105 Hektar Mangrovenwälder gepflanzt werden sollen. Außerdem werden Frauen dabei unterstützt, über den Verkauf von veredelten Fischprodukten eine formale Beschäftigung zu finden, die ihnen und ihren Familien ein Auskommen ermöglicht.
Aktuell treibt die Suche nach Arbeit viele Menschen in die großen Städte der benachbarten Länder: Kambodscha und Thailand. Legal zu migrieren ist kostspielig, der Großteil wendet sich deshalb an Schlepper:innen. Gerade Frauen und Mädchen gelangen so in die Fänge von Menschenhändler:innen und enden in der Prostitution.
Projekte, wie jenes des österreichischen Klimaschutzministeriums sind wichtig. Sie verbessern die Lebensbedingungen vor Ort und mildern die Folgen des Klimawandels etwas ab. Ohne ambitionierte globale Klimaschutzmaßnahmen wird das Mekong-Delta aber schon bald Geschichte sein.
*Brot für die Welt ist Schwesterorganisation der Diakonie, engagiert sich in Entwicklungsfragen und fördert Hilfsprojekte.
** zu den Expertinnen: Lan Pham Thi Phuong ist Süd-Ost-Asien Expertin von Brot für die Welt Deutschland; Ha Chu ist Mitarbeiterin bei AFV, einer vietnamesischen NGO, die im Bereich Klimaschutz aktiv ist.
Fakten zu Vietnam
Vietnam liegt in Südostasien und grenzt an China, Laos und Kambodscha. Mit 332 km² ist Vietnam in etwa viermal so groß wie Österreich und hat zehnmal so viele Einwohner:innen. Im Süden von Vietnam mündet der Mekong ins Südchinesische Meer - ein Fluss, der vom Norden in den Süden durch Südostasien fließt. Die Vietnames:innen nennen ihn auch auch Sông Cửu Long („Neun-Drachen-Fluss“), weil er sich im Mekong-Delta in neun Hauptarme teilt. Der Mekong ist Heimat für 20.000 Pflanzenarten, 1.200 Vogelarten, 800 Reptilienarten und Amphibienarten und 430 Säugetierarten (WWF). Im Mekong-Delta gibt es einen großen Bestand an Mangrovenwäldern. Aufgrund ihrer hohen Salzwassertoleranz und einem geringen Sauerstoffbedarf können Mangroven auch unter extremen Bedingungen überleben.
Die Mangrovenwälder sind nicht nur Lebensraum für unzählige Tiere und Pflanzen, sondern stellen für die dort ansässige Bevölkerung eine wichtige Einnahmequelle dar.