Ein Rechtsanspruch auf technische Hilfsmittel ist für Menschen mit Sprachbehinderungen weiterhin ausständig.  

Kein Rechtsanspruch und keine einheitliche Finanzierungshilfe 

In Österreich gibt es rund 63.000 Personen mit Einschränkungen in der Lautsprache. Mithilfe von assistierenden Technologien können sie kommunizieren. Doch in Österreich gibt es bis heute weder einen Rechtsanspruch auf assistierende Technologien noch eine einheitliche Finanzierungshilfe auf unterstützte Kommunikation und assistierende Technologien.  

Die bürokratischen Hürden sind enorm. So sind Betroffene mit einem unübersichtlichen Dschungel an Formularen und Stellen, bei denen sie um Finanzierung ansuchen können, konfrontiert. 

Planmäßig hätte es mit Ende 2019 möglich sein sollen, den Antrag bei nur einer Stelle – einer sogenannten zentralen Anlaufstelle – einzubringen. Aufgrund der politischen Wechsel der letzten Jahre kam es jedoch noch immer nicht zur Umsetzung. Das Problem wird seit Jahren von Regierung zu Regierung ohne Lösung weitergereicht.  

Davon betroffen sind weiterhin 63.000 Personen direkt und rund 250.000 indirekt, werden Angehörige mitgedacht.  

Die Diakonie setzt sich nun seit über zehn Jahren gemeinsam mit dem Verbund für den Rechtsanspruch auf assistierende Technologien und unterstützte Kommunikation ein. Es ist nun wirklich an der Zeit, dass die Politik und die öffentliche Hand ihre Verantwortung übernehmen.

Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie Österreich

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Liams Sprachcomputer mit Augensteuerung

„Mama, ich hab dich lieb.“ Das war Liams erster Satz, den er als kleiner Bub mittels Augensteuerung und Sprachcomputer gesagt hat. Menschen, die nicht sprechen können, brauchen spezielle Technologien, die ihre Stimme ersetzen. Augensteuerung, Tablets und eigene Programme kosten aber viel Geld.
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Die Diakonie fordert daher:

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Assistierende Technologie: Was sich politisch ändern muss

Hannes Schwabegger ist auf assistierende Technologie angewiesen. Wie rund 63.000 andere Menschen in Österreich. Der Designer und Grafiker ist Peer-Berater für Menschen mit Behinderungen – er berät andere Menschen mit Behinderungen auf Augenhöhe.
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Unterstütze Kommunikation (UK) geht davon aus, dass jeder Mensch ein Bedürfnis nach Kontakt und Kommunikation sowie das Recht auf Selbstbestimmung hat. UK beschreibt daher verschiedene Methoden, die Kommunikation ermöglichen können, auch unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln. Elemente der unterstützten Kommunikation können Blickbewegungen, Mimik, Zeigebewegungen, Körperbewegungen, Gebärden, Fingeralphabete sein. Nichtelektronische Hilfsmittel, die in der unterstützten Kommunikation verwendet werden, sind etwa Kommunikationstafeln, Thementafeln, einzelne Bild- oder Wortkarten.

Assistierende Technologien (AT) sind technische Hilfsmittel, die zur Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung der Ausdrucksmöglichkeiten eines Menschen führen und Funktionseinschränkungen ausgleichen helfen. Solche Technologien sind sprechende Tasten, Pupillensteuerungen, Sprachausgabegeräte, schrift-sprachbasierte Kommunikationshilfen oder Tablet-PCs. AT dienen dazu, Lebensqualität und Selbstbestimmung durch Barrierefreiheit zu ermöglichen. Wesentlich ist, dass Betroffene in die Entwicklung von AT einbezogen werden, um zu gewährleisten, dass Geräte sich den Bedürfnissen der Menschen anpassen.

Menschen mit Sprach-Behinderungen nutzen in ihrem Alltag viele unterschiedliche Arten von Hilfsmitteln zur Kommunikation.

Einfache nicht-elektronische Hilfsmittel: Das können Symbole, Fotos oder Miniaturen sein und zum Beispiel im Alltag eingesetzt werden um den Tag zu strukturieren. Im Kindergarten Für Dich und Mich der Diakonie gibt es zum Beispiel ein Symbol für die Jause, ein Symbol für Spielen oder ein Symbol für das Händewaschen. Wenn die Pädagogin Jakub, einem Kind aus dem Autismus-Spektrum, sagen möchte, dass es nun Zeit für die Jause ist, gibt sie ihm das entsprechende Symbol. Und Jakob nimmt nach dem Essen das Symbol fürs Händewaschen und geht damit ins Bad. Diese alltäglichen Hilfen zur Kommunikation unterstützen ihn dabei, sich zurechtzufinden.

Einfache elektronische Hilfsmittel: Ein typisches Beispiel ist der Taster. Hier gibt es unterschiedliche Arten, zum Beispiel Taster, auf denen einzelne Worte aufgenommen werden können, wie Ja, Nein oder der Vorname einer Person. Damit können auch Personen, die selbst nicht sprechen können, in einer Runde ihren Namen oder ihre Zustimmung und Ablehnung äußern.

Komplexe elektronische Kommunikationsgeräte: Auch hier gibt es ganz unterschiedliche Hilfsmittel mit denen Personen lautsprachlich kommunizieren können, ohne dafür eine eigene Stimme zu benötigen. Mit einer Augensteuerung können Personen ein Symbol oder einen Buchstaben oder ein Wort auf einem Bildschirm auslösen und das Gerät spricht das Wort oder den Satz aus. Damit können Personen ohne eigene Lautsprache auch an Videokonferenzen teilnehmen oder Beiträge auf Social Media schreiben.

Spezialsoftware und Apps: Wenn Personen elektronische Kommunikationsgeräte nutzen, dann nutzen sie oft auch zusätzliche Software. Es gibt zum Beispiel Sprachausgabe-Software, also Programme, die Wörter oder Sätze sprachlich wiedergibt, die eine Person am Computer geschrieben hat. Ähnliche Software oder Apps gehören für viele Menschen ohne Behinderungen ebenso zum Alltag, zum Beispiel wenn beim Tippen am Handy ein Wort vorgeschlagen wird (Wortvorhersage) oder eine SMS-Nachricht vorgelesen werden kann.

Hilfsmittel, die Zugang zum Computer bieten: Zu diesen Hilfsmitteln zählen zum Beispiel spezielle Tastaturen oder auch eine Mundmaus, also eine Maus, die mit dem Mund bedient werden kann. Mit ihnen können Menschen mit Beeinträchtigungen am Computer arbeiten, wodurch sich für sie zusätzliche Möglichkeiten in Ausbildung und Arbeit Möglichkeiten ergeben.

Laut dem österreichischen Behindertenbericht leben etwa 63.000 Menschen mit Einschränkungen in der Lautsprache bzw. Sprechbehinderungen. Die Ursachen für die Beeinträchtigungen sind vielfältig: 

  • Sie können angeboren sein, etwa durch infantile Cerebralparese,  
  • fortschreitend wie bei Multipler Sklerose,  
  • erworben wie bei einer Lähmung durch Schlaganfall,  
  • oder es handelt sich um eine vorübergehende Sprachbeeinträchtigung nach einem Unfall. 

Betroffen sind auch die rund 250.000 Angehörigen, die meist unterstützend im Alltag tätig sind. Die Herausforderungen, um überhaupt zu Geräten zu kommen, liegen dabei vor allem in der umfangreichen Bürokratie und dem Umstand, dass kein rechtlicher Anspruch besteht. 

Anträge auf elektronische Hilfsmittel sind Spießrutenläufe. 

Vor allem die unterschiedlichen Zuständigkeiten führen in Österreich dazu, dass Anträge auf elektronische Hilfsmittel eher Spießrutenläufe als Behördengänge sind. 

Nicht nur die Kranken- und Unfallversicherung, auch die Pensionsversicherung, die Sozialabteilungen der Bundesländer sowie das Bundessozialamt sind für die Bewilligung und Beschaffung von Hilfsmitteln zuständig. Bei der Finanzierung wird zudem noch von freien Trägern oder sozialen Wohlfahrtsorganisationen geholfen. 

Am besten ist es also, sich von Anfang an beraten zu lassen: Beratungsstelle finden

Die „UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung“ wurde in Österreich im Jahr 2008 ratifiziert und geht in mehreren Artikeln auf die Verpflichtung der Staaten zur Förderung von Kommunikationstechnologien ein. Dabei stellt die UN-Konvention klar, dass Kommunikation nicht nur Sprache, Textdarstellungen und Brailleschrift einschließt, sondern auch durch Informations- und Kommunikationstechnologien gewährleistet werden kann. Der Anspruch darauf zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Vertragstext.

Österreich sollte sich in Sachen Hilfsmittel und unterstützte Kommunikation an Deutschland orientieren. In Deutschland gibt es – anders als in Österreich – laut Sozialgesetzbuch einen Anspruch auf assistierende Technologien und Kommunikationsgeräte. 

Die große Befürchtung, dass das eine Kostenexplosion für die Kassen darstellt, bewahrheitet sich nicht – die Ausgaben für unterstützte Kommunikation liegen in Deutschland im Promillebereich. Genauer gesagt machen sie 0,026 % der gesamten Gesundheitsausgaben aus. Die Unterstützung von Menschen mit Kommunikationseinschränkungen ist also für den Staat gut leistbar und sprengt keine Budgets.   

UND: 

Jeder Mensch, der ein Kommunikationshilfsmittel baucht, muss wissen, wie er oder sie dazu kommt. Dazu gehört die Finanzierung, aber auch der praktische Weg. 

Ziel ist ein gesetzlich geregelter und für jede und jeden geltender Verfahrensablauf, der auch nachvollziehbar ist. Wie eben zum Beispiel in Deutschland. 

Konkret ist dieser Verfahrensablauf für Deutschland hier beschrieben.