Diakonissen haben die Arbeit des Diakoniewerks viele Jahre lang geprägt. Ihre Geschichte und ihr Wirken erinnern daran, dass Mitmenschlichkeit, Empathie und Dienst am Nächsten zentrale Werte sind, die auch heute im Diakoniewerk spürbar werden.
Unsere Wurzeln und Vorbilder
Die Geschichte und Arbeit der Diakonissen ist Grundlage für unser diakonisches Handeln heute. Einzelne Portraits geben einen Einblick in das Leben der Schwestern.
"Ich habe Gott schon lange gebeten, mich in seine Arbeit zu nehmen."
Dieser Satz findet sich in ihrem Brief vom 4. September 1926 an die Oberin des Diakonissenmutterhauses Gallneukirchen, Elisabeth Freiin von Dincklage (1876-1956), und zeugt von einer sehr tiefen Verwurzelung im Glauben und dem großen Wunsch auch beruflich „endlich ankommen zu dürfen.“
Else Callenius wurde am 6. November 1894 in Breslau (Preußen) als Tochter des Bahnmeister-Ehepaares Ernst und Elise Callenius geboren. Sie war die Älteste der vier Geschwister, mit denen sie ein Leben lang herzlich verbunden blieb. Nach dem Besuch der Bürgerschule legte sie 1910 die Befähigungsprüfung für Kindergärtnerinnen ab und damit auch den Grundstein für ihre spätere berufliche Arbeit, in der sie ganz aufging. Fünf Jahre später erhielt sie den ‚Unterrichts-Erlaubnisschein als Hauslehrerin‘ vom „Königlichen Kreisschulinspektor des Schulaufsichtsbezirks Breslau Land I“. Nach dem ‚ordnungsgemäßen‘ Besuch der Klassen I+II des Religionslehrerseminars zu Leipzig legte sie 1922 die „Reifeprüfung für Religionslehrer“ ab. Vervollständigt hat Else Callenius ihre Ausbildung mit einem vierwöchigen Lehrerinnen-Kurs für Diakonissen in den damaligen Evangelischen Anstalten Bethel (Deutschland). Von 1910-1928 war sie in gehobenen Haushalten als Privat-Erzieherin tätig, darunter drei Jahre auch in Brasilien. Es liegen ihrem Akt sage und schreibe 20 (!) Dienstzeugnisse aus dieser frühen pädagogischen Arbeit bei. So gut wie alle Eltern lobten Else Callenius für ihre hervorragende Leistung, besonders wird ihr Verantwortungsbewusstsein hervorgehoben. Lediglich ein Dienstzeugnis belegt, dass die Beendigung des Dienstes in diesem Haus auf „beiderseitigen Wunsch“ erfolgte. 1928 führte sie ihr Weg in das Diakonissenmutterhaus Gallneukirchen. Sie wurde zunächst als Lehrerin für die Diakonissen angestellt. Bereits 1926 hätte sie auch in das Diakonissenmutterhaus Breslau eintreten können. 1930 schloss sie sich der Gallneukirchner Schwesternschaft als Probeschwester dann endgültig an, nur ein Jahr später erfolgte in Anwesenheit von Oberin Elisabeth Freiin von Dincklage (1876-1956) durch Rektor und Pfarrer Friedrich Saul (1868-1945) die feierliche Einsegnung ins ‚Amt der Diakonisse‘ im Alter von 37 Jahren. 1932 wurde sie als Hausmutter in das Evangelische Kinderheim Bethanien in Budapest versetzt. 1938, es dürften wohl auch politische Gründe zu dieser Entscheidung geführt haben, kehrte sie als ‚Altdeutsche, die sich jederzeit freudig zu Volk, Reich und Führer bekannt hatte‘, aus Budapest zurück und trat ihren Dienst als Gemeindeschwester und Religionslehrerin in Eferding (Oberösterreich) an. Sie war nicht nur musikalisch hoch begabt und spielte die Orgel zu den Gottesdiensten, sondern leitete auch den Kirchenchor, der lt. Pfarramtlichem Führungszeugnis große Erfolge vorzuweisen hatte. In dieser Zeit absolvierte sie darüber hinaus einen damals so bezeichneten ‚Nachschulungslehrgang“ für die Krankenpflege in Berlin und legte auf Wunsch des Mutterhauses nach vier Monaten Kurs auch die Diplomprüfung für die berufliche Krankenpflege ab, ein Berufsfeld, aus dem sie sich aber stets heraushielt. Ganze vier Wochen war sie im Grazer Diakonissen-Krankenhaus in der Krankenpflege tätig. 1948 folgte sie dem Ruf aus Waiern und ließ sich gerne in das damalige Schulkinderheim der Evangelischen Anstalten Waiern (Kärnten) versetzen. Dort übernahm sie wiederum die Stelle der Hausmutter für 100 Kinder bis zum 1. April 1955. Wie Briefe belegen, blieb sie mit ihren Erzieherinnen danach in bestem Kontakt und war überaus dankbar, da sie dort „ja 5 Jahre lang Tante Ilse, ihre Nachfolgerin, hatte“. Schw. Else gehörte aufgrund ihres Auftretens, ihrer Stellung als Lehrerin und Erzieherin, vor allem aber ihrer Führungsqualitäten sicher zu den Schwestern mit dem größten Handlungsspielraum, auch was ihre Arbeit betraf. Sie war sich ihrer Autorität bewusst und wurde respektiert. Die Jahre im „Schulkinderheim“ Waiern, das sie - ohne jede Vorgabe und Einmischung des Rektors und Pfarrers der Evangelischen Anstalten Waiern - vollkommen selbständig führte (Zitat: „Tante Ilse, was hier im Schulkinderheim passiert, kommt nicht ins Pfarrhaus.“) dürften wohl zu ihren schönsten gehört haben, das belegen ihre Briefe an die Gallneukirchner Oberin.
1955 wurde sie zur Pflege ihrer über 90jährigen Mutter nach Helmstedt (Deutschland) gerufen, das Diakonissenmutterhaus stellte sie ohne Bedingungen dienstfrei. Am 31. Dezember 1962 teilte sie nach dem Tod ihrer Mutter dem Mutterhaus mit, ihren Ruhestand ab 1. Jänner 1963 bei ihrer Schwester Edelgard in Helmstedt verbringen zu wollen. Wieder wurde sie ohne jede Bedingung beurlaubt – mehr als 20 Jahre lang. Erst 1984 kehrte sie im Alter von 90 Jahren in das Mutterhaus zurück. Sie verstarb 92jährig dankbar und zufrieden am 25. Mai 1986 im Haus Abendfrieden und wurde auf dem Evangelischen Friedhof Gallneukirchen beigesetzt.
Quellen: Akt Diakonisse Else Callenius, Archiv des Evangelischen Diakoniewerkes Gallneukirchen.
Autor: Dr. Gerhard Fürstler
"… kam sie, von vielen betrauert, bei einem Bombenangriff auf Salzburg ums Leben."
Dieser Satz findet sich in einem vom damals 86jährigen Salzburger Oberschulrat Walter Sandhöfner verfassten Portrait zu Schw. Rosa Himmler, dessen Daten er gemeinsam mit der Archivarin des Diakoniewerkes Gallneukirchen, Diakonisse Franzi Dolch (1919-2018), zusammentrug und 1991 in einem Gemeindebrief der Evangelischen Pfarrgemeinde A. B. Salzburg (2/91) veröffentlichte. Es ist ein schönes Zeugnis dafür, dass Schw. Rosa Himmler nicht vergessen ist. Im Hof der Evangelischen Schule befand sich ein von der Stadtgemeinde Salzburg erbauter Luftschutzkeller. Am 17. November 1944 hatten darin 38 Personen vor dem einsetzenden Bombenangriff auf Salzburg Schutz gesucht, darunter auch die Gemeindeschwester der Evangelischen Pfarrgemeinde Salzburg, Diakonisse Rosa Himmler. Alle kamen bei diesem fürchterlichen Bombenangriff ums Leben. Die Einsegnung der Opfer fand am 27. November 1944 auf dem Kommunalfriedhof in Salzburg statt. Das Grab von Schw. Rosa Himmler besteht schon seit 1955 nicht mehr. Deshalb stiftete der Evangelische Verein „Salzbund“, der 1902 in Salzburg gegründet wurde und es sich zur Aufgabe gemacht hatte, evangelische Tradition zu wahren und das Gemeinschaftsleben zu fördern, eine Gedenktafel für Schw. Rosa Himmler, die neben zwei anderen auf dem Grab des ersten evangelischen Pfarrers von Salzburg, Heinrich Aumüller (1841-1913), angebracht wurde und noch heute an diese verdienstvolle Diakonisse erinnert.
Rosa Himmler wurde am 8. November 1889 in Deutsch-Kaltenbrunn, damals Ungarn, heute Burgenland, geboren. Nach ihrer Schulzeit erlernte sie die Weißnäherei und war in Fürstenfeld berufstätig. Mit 21 Jahren entschloss sie sich Diakonisse des Mutterhauses Gallneukirchen zu werden, und wurde zunächst als Vorprobeschwester aufgenommen. Dann rückte sie zur Probeschwester auf und erhielt nach einer umfangreichen Ausbildung ihr Krankenpflegediplom. Am 5. August 1916 erfüllte sich ihr großer Wunsch, denn mit fünf anderen Schwestern wurde Schw. Rosa Himmler in Anwesenheit der interimistischen Gallneukirchner Oberin Diakonisse Nanny Kremeir (1862-1933) und des neu eingetretenen Rektors und Pfarrers Friedrich Saul (1868-1945) feierlich ins ‚Amt der Diakonisse‘ eingesegnet.
Sie wurde in mehreren von der damaligen Diakonissenanstalt Gallneukirchen geführten Krankenhäusern eingesetzt, so in Aussig, Asch, Linz, Wien und in Eger, die Entsendung in die Privatpflege rundete ihren Dienst ab. Von September 1920 bis zu deren Tod wurde sie zur Pflege der ersten Gallneukirchner Oberin, Oberschw. Elise Lehner (1847-1921), ins Mutterhaus geholt. Am 14. Juni 1928 trat Schw. Rosa Himmler ihren Dienst als Gemeindeschwester in der Evangelischen Pfarrgemeinde A. B. Salzburg an. Ihr Dienst galt vor allem hilfsbedürftigen, kranken und alten Gemeindegliedern. Sie selbst war, wie die im Akt befindliche Karteikarte zeigt, von mehreren schweren Krankheiten betroffen. Der Höhepunkt in ihrem Leben war sicher, wie sie auch in ihrem 1939 erneut vorgelegten Lebenslauf festhielt, die Jubiläumsfeier im Mutterhaus anlässlich ihrer 25jährigen Dienstzeit am 19. April 1936 in Anwesenheit von Oberin Elisabeth Freiin von Dincklage (1876-1956).
Schw. Rosa Himmler blieb ihr Leben lang eine herzliche, aber stille und eher introvertierte Persönlichkeit. Das belegt auch ihr vergleichsweise dünner Akt; es sind nur wenige Briefe, in denen sie sich selbst äußert, vorhanden. Als Diakonisse war sie nie in leitender Funktion tätig. Am 17. November 1944 verstarb sie im 55. Lebensjahr bei einem der schwersten Bombenangriffe auf Salzburg. Außer ein paar Stücken der Schwesternkleidung konnten – so Schw. Franzi Dolch am 5. Mai 1991 – keine weiteren „sterblichen Überreste“ festgestellt werden. Und dennoch blieb sie als „opferbereite und liebevolle“ Schwester in Erinnerung, wie die nach 1955 angebrachte Gedenktafel auf dem Salzburger Kommunalfriedhof und das 1991 verfasste Portrait „Rosa Himmler“ deutlich unter Beweis stellen.
Quellen: Akt Diakonisse Rosa Himmler, Archiv des Evangelischen Diakoniewerkes Gallneukirchen.
Autor: Dr. Gerhard Fürstler
"Wir sind mit unserm Vorschlag, in kommunitärer Form Diakonissen zu bleiben, auf Unverständnis und offene Ablehnung gestoßen."
Dieses bittere Resümee findet sich im Abschiedsbrief der beiden im Diakonissen-Krankenhaus Linz tätigen Diakonissen Anni Primeßnig (1925-2022) und Hildegard Saringer (1939-2018) sowie der Probeschwester Sieglinde Ram (*1941). Am 30. September 1970 traten alle drei nach 24, 15 und 14 Jahren Zugehörigkeit zum Mutterhaus aus der Gallneukirchner Schwesternschaft aus. Schon vergleichsweise früh (1962) erkannte Schw. Anni Primeßnig die prekäre Situation des Diakonissenberufs und versuchte mit Oberin Aenne Wiedling (1905-1978) Gründe für den ausbleibenden Nachwuchs von Diakonissen auch öffentlich aufzuzeigen.
Anni Primeßnig wurde am 21. Dezember 1925 in Bad Kleinkirchheim (Kärnten) als Tochter des Landwirts-Ehepaares Mathias und Maria Primeßnig in eine sehr große Familie mit zehn weiteren Geschwistern hineingeboren. Nach der 1938 bestandenen Aufnahmsprüfung in die dritte Klasse der vierklassigen Hauptschule in Radenthein besuchte sie diese bis 1940. Von 1940-1941 absolvierte sie ihr „Pflichtjahr“ auf einem Großbauernhof in Spital/Drau. Danach bewarb sie sich um die Aufnahme in die Hebammenschule Graz, die sie vom 2. Jänner bis Ende April 1942 auch besuchte. Vom 13. Oktober 1942 bis 31. März 1943 absolvierte sie einen Teil der Krankenpflege-Ausbildung bei der Schwesternschaft Berlin-Zehlendorf. Bis zum 15. Jänner 1945 arbeitete sie als Krankenschwester in Berlin-Cottbus. Nach Kriegsende kehrte sie nach Hause zurück. Mit 30. September 1946 trat sie als Verbandsschwester in die Schwesternschaft des Mutterhauses Gallneukirchen ein, wurde in das Diakonissen-Krankenhaus Graz versetzt und beendete von dort aus die Krankenpflege-Ausbildung an der öffentlichen Krankenpflegeschule Graz mit der Diplomprüfung am 8. Juli 1947. Bis 1952 war sie in den Evangelischen Krankenhäusern Graz und Waiern tätig und trat im selben Jahr gleich als Probeschwester der Gallneukirchner Schwesternschaft bei, die feierliche Einsegnung ins Amt der Diakonisse fand in Anwesenheit von Oberin Anna Köhnen (1889-1983) durch den Rektor und Pfarrer Erwin Schlachter (1899-1986) am 27. September 1953 statt. Es folgte eine geradezu atemberaubende Karriere innerhalb der Schwesternschaft. Nur zwei Monate nach ihrer Einsegnung wird sie mit nicht einmal 28 Jahren – trotz fehlender Führungserfahrung – als die kommende Gallneukirchner Probemeisterin ins Auge gefasst und zugleich mit dem Aufbau und der Leitung der Schwestern-Vorschule betraut. Die Kenntnisse für das Amt der Probemeisterin erwarb sie sich über einen Besuch bei den Probemeisterinnen dreier im Akt angeführter Mutterhäuser. Die Leitung der Schwestern-Vorschule und das Amt der Probemeisterin übte sie bis 1961 in Personalunion aus, 1962 wurde sie in den Schwesternrat gewählt. Mit der letzten Einsegnung von fünf Schwestern 1963 – unter ihnen auch die heutige 86jährige Oberin Diakonisse Schw. Helga Sikora (*1937) – lief das Amt der Probemeisterin jedoch aus. Für ein Jahr ließ sie sich als Stationsschwester in das Diakonissen-Krankenhaus Schladming (Steiermark) entsenden. Von 1963-1964 besuchte Schw. Anni Primeßnig als erste Gallneukirchner Diakonisse die „Schwesternhochschule“ der Diakonie in Berlin für leitende Schwestern und Unterrichtsschwestern, weil die Diakonissenanstalt in Linz die Errichtung einer Allgemeinen Krankenpflegeschule plante. Ab 1964 baute sie die Schule auf und leitete diese dann zusammen mit einem Ärztlichen Schulleiter als Schuloberin bis zu ihrem Austritt aus der Gallneukirchner Schwesternschaft 1970. Die überaus steile Karriere von Schw. Anni Primeßnig überrascht nicht nur, sondern die Diakonissenanstalt Gallneukirchen hat ihr auch viel zu verdanken. Mit ihr war es möglich, neue Arbeitsgebiete zu erschließen, denn sie war sehr einsatzbereit. Sie war sich ihrer Autorität dabei stets bewusst und ebenso bereit, durchaus auch heftige Auseinandersetzungen auszutragen und Verantwortung weit über das gewohnte Maß hinaus zu übernehmen. Sie ist das Beispiel schlechthin, dass es selbst bei Diakonissen, aus welchen Gründen auch immer, Austritte aus dem Mutterhaus gab.
Im Umgang mit den ihr anvertrauten Probeschwestern, Krankenpflegeschülerinnen und Schwestern-Vorschülerinnen war Schw. Anni Primeßnig überaus streng und daher gefürchtet. Sie war neben den Oberinnen sicher auch eine der Diakonissen mit dem wohl größten Handlungsspielraum. „Sie ist das beste Pferd im Stall!“, so der Rektor und Pfarrer Kurt Hölzel (1915-2007) einmal über Schw. Anni Primeßnig. Nach ihrem Austritt arbeiteten die drei Schwestern noch bis 1972 im Diakonissen-Krankenhaus Schladming.
Später fand sie schließlich in Kärnten zusammen mit Schw. Hildegard Saringer und Schw. Sieglinde Ram als „Kommunität Freue Dich“, deren Priorin sie auch war, eine Heimat. Letztlich ereilte diese „Kommunität“ dasselbe Schicksal wie das der Gallneukirchner Schwesternschaft, auch dieser Gemeinschaft hat sich in den 52 Jahren ihres Bestehens niemand mehr angeschlossen. Der Flüchtlingskrise von 2015 stand Schw. Anni Primeßnig bedauerlicherweise verständnislos gegenüber. Sie verstarb 97jährig am 25. April 2022 und wurde auf dem Evangelischen Friedhof in Waiern beigesetzt.
Quellen: Akt Diakonisse Anni Primeßnig, Archiv des Evangelischen Diakoniewerkes Gallneukirchen.
Autor: Dr. Gerhard Fürstler
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