Zeit zum Heimkommen - der ehemalige Barackenbau in Neu Albern ist wieder mit Leben gefüllt
- Story
Das Haus Neu Albern bietet Platz für erwachsene Männer in der Grundversorgung. Viele von ihnen müssen traumatische Erlebnisse verarbeiten, einige leiden unter psychischen Folgeerscheinungen der Belastungen. Neu Albern ist oft ihr letzter Zufluchtsort. Hier finden sie Hoffnung und ein Team, das an sie und ihre Zukunft glaubt und gemeinsam mit ihnen daran arbeitet. Wie haben mit Christian Eder, Mitarbeiter im Haus Neu Albern, über seine Arbeit und darüber gesprochen, wie Bewohner mit zunehmenden Anfeindungen und drohenden Abschiebungen umgehen.
Welcher Klient wird dir ewig in Erinnerung bleiben?
Christian Eder: Es sind viele Geschichten und Menschen, die mir einfallen. Vielleicht Nadifa* aus Somalia, der in einem sehr schlechten Zustand war, als er vor drei Jahren zu uns kam. Er war traumatisiert, durch eine Schusswunde am Bein ist er gehbehindert und er hört nur sehr eingeschränkt. Es hat eine Weile gedauert, bis wir ihn stabilisieren konnten. Doch mittlerweile – auch durch die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen – ist Nadifa in der Lage, seinen Alltag recht selbstständig zu organisieren. Er besucht den Deutschkurs für Hörbehinderte und lernt die internationale Gebärdensprache. Wir hoffen sehr, dass Nadifa hier in Wien, wo auch sein Bruder wohnt, bleiben kann.
Was motiviert dich für die Arbeit?
Es ist die Abwechslung durch die vielen unterschiedlichen Leute, mit denen ich hier arbeite – verschiedenste Nationalitäten, Persönlichkeiten und Kulturen. Es ist auch die unglaublich große Toleranz, mit der sich KollegInnen aber auch Klienten hier im Haus begegnen. Und dann die große Freude und Dankbarkeit, die einem – oftmals wegen Kleinigkeiten – entgegengebracht wird.
Was zeichnet eure Arbeit mit Klienten aus?
Es sind einerseits die Begegnungen auf Augenhöhe und der sehr herzliche und warme Umgang mit den Leuten die hier wohnen. Andererseits ist es die Zeit die wir haben, um auf Besonderheiten und Bedürfnisse einzugehen – kurz, die individuelle Betreuung der Bewohner. Das Betreuungsverhältnis ist sehr persönlich und durch sehr viel Nähe gekennzeichnet. Wir begegnen ihnen als Menschen, weniger als Klienten. Es ist die menschliche Basis, auf der wir uns hier verständigen und treffen – und das ist extrem wirkungsvoll. Und natürlich der Humor als dritte, sehr wichtige Säule im Arbeitsalltag und im Umgang miteinander.
Wie kannst du dich – trotz engem Betreuungsverhältnis – von der Arbeit abgrenzen?
Ganz klar durch die Gespräche und Reflexion mit KollegInnen. Es arbeiten sehr gut ausgebildete Leute hier, ihre Erfahrung und ihre Expertise geben mir Rückhalt. Und es ist ein Lernprozess zu akzeptieren, dass wir nicht alles und alle retten können. Oft reicht es als Mensch, weniger als Psychologe für die Bewohner da zu sein.
Wir gestalten hier unseren Mikrokosmos und schaffen Rahmenbedingungen für ein menschliches Miteinander. Es ist ein Ort, wo sich Klienten zurückziehen, zuhause sein können und willkommen sind.
Macht sich die verschärfte Rhetorik über geflüchtete Menschen bei euren Bewohnern bemerkbar?
Ja. Die pauschalen Verurteilungen von Nationalitäten, Religionen oder Kulturen, etwa in Gratis-Zeitungen, lösen teils große Ängste aus. Die Bewohner empfinden die Diffamierungen oft als große Ungerechtigkeit und fragen sich: „Wie kann man so denken?“ Und schließlich im Hinblick auf die eigne Zukunft fragen sie sich: „Kann ich hier jemals eine Wohnung finden? Bekomme ich überhaupt einen Job?“
Die Kampagne #sichersein setzte sich gegen Abschiebungen nach Afghanistan ein. Sind auch Bewohner von Abschiebungen nach Afghanistan bedroht?
Ja, unter anderem auch nach Afghanistan. Die Afghanische Community ist stark verunsichert, jeder kennt jemanden, der abgeschoben wird. Bei Klienten kann das sehr destabilisierend wirken. Sie haben große Angst davor, was ihnen bei einer Abschiebung in ein Land, aus dem sie geflüchtet sind, bevorsteht.
Wie geht ihr und die Bewohner damit um?
Wir versuchen zu stabilisieren. Sehr schön zu sehen ist aber, dass sich die Bewohner gegenseitig eine Stütze sind und sich Trost und Mut zusprechen und sich motivieren, weiterhin den Deutschkurs oder die Schule zu besuchen.
*Name geändert
Vorübergehend Ankommen – die Geschichte des Hauses und seiner Bewohner
Nach über 15 Jahren Flüchtlingsarbeit im Haus Neu Albern wurde der ehemalige Barackenbau generalsaniert und im Juni 2018 vom Fördergeber FSW an den Diakonie Flüchtlingsdienst übergeben. Eine Baracke ist eine „behelfsmäßige Unterkunft für den vorübergehenden Verbleib.“ Nicht nur für die derzeitigen Bewohner bietet das Haus eine Bleibe auf Zeit. Das Haus selbst hat schon viele verschiedene Personen – immer für eine bestimmte Zeit – beherbergt. Das Innenministerium als ursprünglicher Eigentümer stellte das Haus Polizist*innen zur Verfügung, die kurzfristig einen Wohnraum benötigten. Danach wurde das Gebäude eine Zeit lang als Obdachlosenheim genutzt.
2002 wurden die Türen erstmals für Menschen die vor Krieg und Folter geflüchtet sind, geöffnet. Damals noch als Notquartier geführt, wurde es zwei Jahre später zum offiziellen Grundversorgungquartier für geflüchtete Menschen. Mittlerweile hat sich das Haus als spezialisierte Einrichtung für Menschen mit erhöhtem Betreuungsbedarf etabliert.