Wohin nach der Grundversorgung? Fehlende Wohnperspektiven für geflüchtete junge Erwachsene
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Viele Jugendliche und junge Erwachsene fliehen ohne Eltern nach Österreich, leben dann in einem Grundversorgungsquartier und sobald ihnen Asyl zuerkannt wird, müssen sie das Quartier binnen kurzer Zeit verlassen. Doch wohin? Ein Zimmer oder eine eigene Wohnung zu mieten ist mit großen Hürden verbunden. Die Suche nach einem Dach über dem Kopf wird für die meisten geflüchteten jungen Erwachsenen zum Spießroutenlauf.
Ohne Lohn, keine Wohnung
Private Vermieter:innen und Hausverwaltungen vergeben ihre Wohnungen nicht gern an Menschen ohne Lohneinkommen. Noch weniger gern vermieten sie an junge Erwachsene ohne Eltern, die für sie bürgen könnten. Und wenn die Person noch dazu ein junger Mensch mit Fluchthintergrund ist, kommen häufig auch noch rassistische Vorurteile hinzu.
Ohne Arbeit, kein Geld
Findet man trotz erschwerender Faktoren doch eine Wohnung, ergibt sich das nächste Problem: man müsste eine Kaution hinterlegen. Doch woher das Geld nehmen, wenn man aufgrund fehlender Arbeitserlaubnis während des Asylverfahrens und geringer staatlicher Unterstützung kein Geld ansparen konnte? In der Theorie gibt es für diese Fälle die sogenannte "Hilfe in besonderen Lebenslagen" (HIBL) des Sozialamts oder auch Kredite. Bis diese allerdings beantragt und bewilligt sind, wurde die Wohnung meist schon vergeben.
Option Gemeindewohnung?
Asylberechtigte sind (im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten) österreichischen Staatsbürger:innen gleichgestellt und haben damit formal gesehen auch Zugang zu Gemeindewohnungen, wenn sie die Zugangsvoraussetzungen erfüllen: 5 Jahre Meldeadresse in Wien, 2 Jahre an der gleichen Adresse und besonderer Wohnbedarf. Dabei scheiden schon viele Antragsteller:innen aus, denn viele der Geflüchteten sind noch nicht so lange in Wien. Bei der Antragstellung muss zudem der aktuelle Mietvertrag vorgelegt werden. Wohnen junge Erwachsene z.B. in einem Studierendenwohnheim, weil das eine leistbare Option ist, haben sie einen Heimplatzvertrag, der nicht als Mietvertrag akzeptiert wird. Manchmal bewilligt die Wohnungskommission Ausnahmen. Die Diakonie unterstützt Menschen bei diesem Ansuchen.
Welche anderen Möglichkeiten gibt es?
Für Asylberechtigte gibt es die Möglichkeit der Wohnversorgung über die Wiener Wohnungslosenhilfe (=WWH). Für Subsidiär Schutzberechtigte ist dieser Zugang schwieriger. Etliche Angebote können nur dann in Anspruch genommen werden, wenn man über ein eigenständiges Lohneinkommen verfügt. Um Zugang zur Unterstützung der Wiener Wohnungslosenhilfe zu erhalten, muss man beim Beratungszentrum Wiener Wohnungslosenhilfe (bzWO) anfragen, ob man dort als unterstützungswürdig angesehen wird und für einen Wohnplatz bewilligt wird. Doch es gibt viel zu wenig Angebote, die auf die speziellen Bedürfnisse von jungen Erwachsenen ausgerichtet sind.
Karibu: Wohnplätze für junge Erwachsene
Eines der wenigen Projekte für diese Zielgruppe ist KARIBU, ein Angebot des Diakonie Flüchtlingsdienstes. KARIBU bietet Plätze in Wohngemeinschaften für eine begrenzte Zeit. Aktuell leben hier 46 Bewohner:innen, darunter 12 junge Frauen* und 3 junge Mütter mit ihren Babys sowie 14 LGBTIQ+ Personen. Neben einem Wohnplatz erhalten die Menschen auch Unterstützung bei der Zukunftsplanung, Bildungsberatung, Arbeitsmarktintegration und Hilfe bei der Suche nach einer eigenen Wohnung. Doch die Warteliste ist lang. Zu viele junge Menschen wohnen prekär, sind obdachlos oder Fluchtwaisen, die demnächst volljährig werden und ihre betreute WG verlassen müssen. Die Wohnverhältnisse am privaten Wohnungsmarkt sind ausbeuterisch und destabilisierend. Eine weitverbreitete Wohnform ist das „Matratzenlager“. Bis zu 250 Euro pro Monat zahlt man für einen Schlafplatz in einer 2-Zimmerwohnung, die man sich mit 8 weiteren Personen teilt. An erholsamen Schlaf oder konzentriertes Lernen ist in einer derart überfüllten Wohnung nicht zu denken. Wie sollen Jugendliche und junge Erwachsene in so einer Situation ihre Zukunftspläne verwirklichen?
Maßnahmen zur Verbesserung
Es müssten die spezifischen Angebote für junge Erwachsene auf allen Ebenen ausgebaut werden: Straßensozialarbeit, Beratungsstellen, Notquartiere, Chancenhäuser und natürlich Einrichtungen wie KARIBU. Bei den Angeboten muss auch auf die spezifischen Bedürfnisse von jungen Frauen* oder LGBTIQ+ Personen Rücksicht genommen werden. Die Benachteiligung von subsidiär Schutzberechtigten ist dabei weder aus individueller noch aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive vertretbar, da die Betroffenen eine äußerst hohe Bleibewahrscheinlichkeit haben und damit vor der Herausforderung stehen, sich hier in Österreich eine Zukunft aufzubauen.
Außerdem muss die Bearbeitungszeit von Anträgen auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung stark verkürzt werden, da bei einer aktuellen Bearbeitungszeit von acht Wochen oder länger Betroffene immer wieder in Zahlungsrückstände bei Mieten und anderen Zahlungsverpflichtungen schlittern. Die langen Bearbeitungszeiten gefährden auch die Gesundheitsversorgung der jungen Erwachsenen. Wenn der Antrag in Bearbeitung ist, greift der Versicherungsschutz erst rückwirkend, was zur Folge hat, dass Betroffene bei Ärzt:innen abgewiesen werden. Besonders dramatisch ist das bei Menschen mit psychischen oder chronischen Erkrankungen.
Zudem wurde die BMS seit 2021 für 18-25-Jährige auf 75% des regulären Richtsatzes gekürzt. Im Jahr 2024 sind dies € 866,88.- monatlich. Zum Vergleich: Im Juli 2023 lag die durchschnittliche Miete (ohne Energiekosten!) für eine 30-Quadratmeterwohnung in Wien bei 555,30 Euro. Sowohl Bearbeitungszeit als auch die Höhe der Mindestsicherung sind für junge Erwachsene existenzbedrohend!
Aktueller Situationsbericht des Verbands Wiener Wohnungslosenhilfe