Unterstützte Kommunikation für echte Teilhabe
- Story
Natascha Toman ist eine starke Persönlichkeit – kompetent, quirlig und im Interview antwortet sie mit viel Wortwitz und fröhlichem Lachen. Obwohl man meinen könnte, dass ihr Leben gar nicht so einfach ist - sie lebt von Geburt an mit einer Bewegungsstörung namens Zerebralparese, sitzt im Rollstuhl und kommuniziert mit einem Sprachausgabegerät - spiegelt sie ganz Anderes wider: Eine lebenslustige Frau mit 30 Jahren, die kürzlich zwei Wochen in Kapstadt verbrachte, und dort jederzeit wieder hinfahren würde.
Wie sie die Lockdownzeit erlebt hat? „Eigentlich ging es mir besser als gedacht. Ich war fast zwei Jahre nur im Home-Office. Ich fand dies teilweise auch ziemlich entspannend.“
Kommunikation im Job
Stichwort Home-Office: Natascha Toman arbeitete während Corona noch bei der Firma Bosch in der internen und externen Kommunikation, und war dort für Corporate TV und das Intranet verantwortlich. Heute ist Natascha Toman bei der Firma myAbility Social Enterprise GmbH im Customer Service Bereich tätig. Auf die Frage, was sie zu dem Wechsel nach acht Jahren bewogen hat, gibt sie zu verstehen: „Ich habe mich vor ein paar Jahren schon einmal bei myAbility beworben - damals mit einer Initiativbewerbung - da ich das Unternehmen und die Werte, die es transportiert, sehr ansprechend fand und diese mit meiner Nebentätigkeit als Kommunikationsbotschafterin nicht besser „matchen“ könnte. Danach wurde ich zum myAbility Talent Programm eingeladen und hatte die Möglichkeit, zahlreiche Unternehmen kennenzulernen und mich über ein ganzes Semester mit der Frage auseinander zu setzen Wo möchte ich beruflich eigentlich hin und was braucht es alles, damit ich mich in einer Firma richtig wohl fühlen kann? Et voilà, knapp ein halbes Jahr später bin ich in dem Unternehmen gelandet, in das ich wollte. Ich fühle mich einfach sehr wohl im Team und freue mich, jetzt einen etwas anderen Bereich kennenzulernen.“
Wie Natascha zu ihren Kommunikationshilfsmitteln gekommen ist
Wie sie zu diesen Kommunikationshilfsmitteln gekommen ist? Natascha Toman ist Kundin der LIFEtool Beratungsstelle für Assistierende Technologien in Wien. Dort wird sie seit mehr als 13 Jahren begleitet und bekommt alles, was sie braucht bei allen Fragen rund um technische Assistenz, sprich Unterstützte Kommunikation (UK).
Ist man mit Natascha Toman im Gespräch, so spricht sie mithilfe eines Sprachausgabegeräts. Sie gibt per Augensteuerung Buchstabe für Buchstabe ins Gerät ein, ein Wort entsteht, ein Satz wird gebaut. Dann wird dieser Satz von einer Computerstimme laut vorgelesen und auf einem screen angezeigt. Das wirkt beeindruckend und ungewohnt zugleich. Für Natascha Toman ist diese Augensteuerung eine riesige Erleichterung, um sich ausdrücken zu können. „Ich kann damit wirklich sagen, was ich möchte. Mit der Tastatur muss ich mich sehr konzentrieren, dass meine Finger jeden Buchstaben korrekt treffen – mit meiner körperlichen Unruhe ist das auf Dauer sehr anstrengend und ermüdend. Bei der Augensteuerung muss ich hingegen nicht so viel auf meinen Körper achten und kann einfach „drauf los schauen und schreiben“. Aber dennoch geht ihr diese Art der Kommunikation noch immer viel zu langsam, vor allem wenn ich mich im Alltag mit anderen Leuten unterhalte. „Mein Wunsch ist, ins flüssige Gespräch kommen zu können, ganz normal und auch schneller.“
Als Nutzerin arbeitet sie auch an der Weiterentwicklung der Geräte mit
In den letzten Jahren hat sich die Qualität und Leistung dieser Tools massiv gewandelt. Und doch warten viele Nutzer:innen wie Natascha Toman noch auf weitere Entwicklungen. Frau Tomans Berater, Christian Kienesberger erläutert das so: „Mit Natascha haben wir eine Kundin, die wir auch sehr gut miteinbeziehen können, wenn es um Anwenderfragen und Produkttests geht. Sie kennt sich sehr gut aus. Natascha spricht über ihre Bedürfnisse, sie tritt auch öffentlich auf, um das Thema „Recht auf Kommunikation“ zu forcieren. Sie ist in Hörsälen und auf Kongressen unterwegs, spricht im Fernsehen und das sehr authentisch und echt – das ist ihr wichtig.“ Und es ist für das Thema wichtig, damit es einem breiteren Publikum bewusst wird, was solche Hilfsmittel für Menschen bedeuten können.
Natascha Toman ist auch in den Sozialen Medien sehr aktiv. „Mit meiner Facebook-Seite wollte ich einfach ein wenig auf mich und meine UK-Tätigkeit aufmerksam machen. Ich wollte zeigen, dass ich Vorträge halte, und man sich gerne bei mir melden kann. Den Blog habe ich in meiner Funktion als Fachvorstand für UK-Nutzer:innen bei der Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation ins Leben gerufen.“
So wird Arbeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt erst möglich
Natascha Toman ist der Sprung in die Arbeitswelt gelungen. Und noch noch vieles mehr. Obwohl der Weg steinig war. Ihren Bildungsweg begann Natascha Toman in Pressbaum im Kindergarten. „Leider war die ortsansässige Volksschule für mich aber nicht geeignet, und ich bin dann in Wien in die Volks- und auch in die Hauptschule gegangen. Danach habe ich die Handelsschule abgeschlossen. Durch meine Ferialjobs habe ich bei der Firma Bosch die Möglichkeit bekommen, eine Lehre zur Großhandelskauffrau zu machen – was mir damals definitiv die Türe zur Arbeitswelt geöffnet hat. Nebenbei habe ich zur selben Zeit die Berufsreifeprüfung an der Volkshochschule (VHS) abgeschlossen.“
Wie gelingt es, sich diese teuren Hilfsmittel zu leisten?
Die Assistierenden Technologien ermöglichen ihr Kommunikation und Teilhabe. Aber diese Geräte sind teuer. Wie finanziert sie ihre Hilfsmittel? „Zum Glück bekomme ich manches über die Krankenkassen. Dabei hilft mir, dass ich berufstätig bin“, sagt sie. Für Menschen, die diese Hilfsmittel „nur“ für ihr privates Leben brauchen, ist das oft nicht selbstverständlich. – Ein großer Kritikpunkt, den auch Natascha Toman immer wieder vorbringt.
Bei der Frage, was sie 2023 alles so vorhätte, beginnt Natascha Toman zu lachen: „Ich habe ein Auto gekauft! Der erste Trip wird wahrscheinlich, gemeinsam mit einem guten Freund, nach Sardinien gehen. Aber ich bin auch mehr und mehr in Deutschland unterwegs bei UK-Kongressen und dafür brauche ich es auch.“ Und im Frühjahr wird sie vom Himmel springen – ein Geschenk ihrer Cousine zum 30sten Geburtstag. Wie sie das machen wird? Gemeinsam mit ihrem Persönlichen Assistenten Peter. „Er macht dies freiwillig“, sagt Natascha lachend.
Recht auf Kommunikation! Ein Rechtsanspruch auf technische Hilfsmittel ist für Menschen mit Sprachbehinderungen weiterhin ausständig.
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