Syrer:innen in Österreich erhalten "Aberkennungs"-Briefe von der Asylbehörde
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Aktuell erhalten Syrer:innen in Österreich massenhaft Briefe von der Asylbehörde, in denen Sie darüber informiert werden, dass das Amt beabsichtigt, ihnen den Asylstatus abzuerkennen.
Diese Briefe verunsichern die Menschen maximal. Deshalb haben wir unseren Asyl-Experten Christoph Riedl gebeten, folgende Fragen zu beantworten:
Frage: Wie beurteilen Sie, dass die Asylbehörde aktuell solche Briefe verschickt?
Antwort: Dass mit diesen Briefen Menschen in Panik versetzt werden, ist bestürzend und unverständlich. Viele glauben oder befürchten jetzt, dass sie unmittelbar ihr Asyl in Österreich verlieren werden.
Wichtig ist: Diese Briefe haben akut keine Auswirkung auf den Asylstatus jener Menschen, die schon in Österreich sind. Perfid ist nur: sie können nun nicht mehr damit rechnen, dass ihre Familie nachkommen kann. Und das, obwohl die Lage in Syrien noch lange Zeit keine Rückkehr erlauben wird.
Frage: Ist die Aberkennung des Asylstatus syrischer Flüchtlinge derzeit gerechtfertigt?
Antwort: Nein, die Aberkennung des Asylstatus syrischer Flüchtlinge ist zum jetzigen Zeitpunkt weder sinnvoll noch rechtlich vertretbar. Das könnte erst dann in Betracht gezogen werden, wenn sich die Situation in Syrien grundlegend verbessert hat – mit einer funktionierenden Regierung, einer stabilen Verwaltung und gesicherten Lebensgrundlagen. Doch davon sind wir momentan weit entfernt.
Und: wenn es jetzt nicht ausreichend Informationen gibt, um Asylverfahren abzuschließen, kann auch nicht die Zeit gekommen sein, Aberkennungsverfahren zu starten.
Frage: Was heißt das konkret?
Antwort: Wichtig ist, dass die Betroffenen wissen: ihr Asylstatus wird bis zum Abschluss dieser Verfahren bestehen, und die Verfahren werden lange dauern (weil eben diese Beurteilung der Situation in Syrien derzeit unmöglich ist). Und das neue Verfahren wird auch in den wenigsten Fällen dazu führen, dass die Menschen aus Österreich abgeschoben werden.
Betroffene, die jetzt solche Behördenbriefe erhalten, sollten umgehend Beratungsstellen aufsuchen, um Unterstützung und rechtliche Beratung zu erhalten.
Am besten ist es, dort Rechtshilfe zu suchen, wo man auch während des Asylverfahrens in Beratung war.
Frage: Sollten die Menschen derzeit eine Rückkehr nach Syrien in Betracht ziehen?
Antwort: Eine Rückkehr nach Syrien sollte aktuell nur auf freiwilliger Basis erfolgen. UND: Wenn Menschen freiwillig nach Syrien zurückgehen, brauchen sie Begleitung, damit ihr Neustart auch gelingt. Österreich könnte hier eine wichtige Rolle spielen, indem es gezielte Hilfsprogramme in Syrien aufbaut, die freiwillig Zurückgekehrte unterstützen. Davon ist leider bisher keine Rede. Es wäre Aufgabe einer neuen Regierung, solche Programme zu starten.
Frage: Wie ist die aktuelle humanitäre Lage in Syrien?
Antwort: Die humanitäre Lage in Syrien ist nach wie vor dramatisch. Rund 90 Prozent der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Es fehlt an lebenswichtigen Gütern wie Wasser, Nahrung und einer funktionierenden Gesundheitsversorgung. Große Teile der Infrastruktur, einschließlich Wohnraum, sind zerstört. Die Sicherheitslage bleibt äußerst angespannt, und Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht und leben unter prekären Bedingungen.
Frage: Was sollte Österreich in dieser Situation tun?
Antwort: Österreich sollte alles daransetzen, eine positive und demokratische Entwicklung in Syrien aktiv zu unterstützen.
Frage: Was raten Sie den Menschen, wenn sie über eine Rückkehr nachdenken?
Antwort: Wir raten ihnen auf jeden Fall, sich Zeit zu lassen, und nichts zu überstürzen. Sie müssen auch bedenken, dass wenn das Fußfassen in Syrien nicht klappt, der Rückweg nach Österreich mit hoher Sicherheit verschlossen ist.