Spielgruppe SMILE: Wie Kinder mit Behinderungen Inklusion im Kindergarten lebendig erleben

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20. Januar 2025
Die inklusive Spielgruppe SMILE ermöglicht Kindern mit und ohne Behinderungen, gemeinsam zu spielen und Gruppen-Erfahrungen zu sammeln. Besonders für Kinder mit Unterstützungsbedarf, die oft Schwierigkeiten haben, einen passenden Platz in regulären Kindergarten-Gruppen zu finden, bietet sie eine Chance, erste Kontakte mit Gleichaltrigen und außerhalb der Familie zu knüpfen.

„Emily, lass sie auch mitspielen!“ ruft Heike, die Leiterin der Spielgruppe SMILE quer durch den Raum. Ein Satz, den man in jedem Kindergarten zu hören bekommt, doch hier bei SMILE wiegt er nochmal mehr. Denn SMILE ist eine inklusive Spielgruppe für Kinder mit erhöhten Förderbedarf, die noch keinen fixen Kindergartenplatz haben (Ja, die Plätze sind rar!) und hier erste Spielerfahrung mit Gleichaltrigen machen können (für 2 bis 5-Jährige).

SMILE steht für ein offenes und flexibles Konzept, das sich vor allem an Familien mit Kindern, die Integrations- oder Unterstützungsbedarf haben, richtet. Jeweils Dienstag oder Donnerstag können Eltern mit ihren Kindern in den Kindergarten Floridsdorf der Diakonie kommen, um sich schon mal spielerisch an den Kindergartenalltag zu gewöhnen. Es ist ein erstes Hineinschnuppern in die Welt von Strukturen, Abläufen und Sozialverhalten für Kinder, die nicht in eine reine Regelgruppe passen und diverse Diagnosen mit sich bringen. „Das reicht von genetischen Dispositionen, wie Trisomie 21, über diverse Entwicklungsverzögerungen bis hin zu Autismus oder ADHS“, verrät uns Heike Kowar. Sie ist Kindergartenpädagogin und inklusive Elementarpädagogin und arbeitet seit 2023 im Diakonie Kindergarten Floridsdorf.

Gelebte Inklusion, niemand wird ausgeschlossen

Gerade fordert sie Emily auf, die alle Holzschienen um sich herum hortet und damit eine Zugstrecke verlegen will, gemeinsam zu spielen. Offensichtlich erhebt sie den Anspruch auf alle Spielzeug-Schienen und Waggons, inklusive Lok, und will diese nicht mit einem anderen Mädchen teilen. Heike versucht zu vermitteln, bevor die Situation eskaliert. Bei Smile wird niemand ausgeschlossen. Im Gegenteil: SMILE steht für Inklusion und ist ein Akronym für „Spielend Miteinander Inklusion Lebendig Erleben.“ In diesem Sinn kommen hier bis zu acht Kinder (inklusive einem Elternteil) für einen Spielevormittag zusammen, die alle unterschiedliche Bedürfnisse und Entwicklungsstände haben.

Rituale, Lieder und ein Bällebad – Kinder mit und ohne Behinderungen spielen gemeinsam

„Hallo Kinder, wir winken uns zu, erst ich und dann du! Hallo Kinder, wir trommeln uns zu…“, stimmt Heike ein Lied an. Die Kinder kommen einmal pro Woche und kennen das Begrüßungslied bereits auswendig. Voll Begeisterung machen sie mit, wenn Heike ihnen zuwinkt. Fünf Minuten dauert der Begrüßungskreis, solange schafft es auch Omar ruhig zu sitzen, dann hüpft er schnell auf und wirft sich ins Bällebad, eine der großen Attraktionen bei SMILE, die es nur in dieser Gruppe gibt. Auch die Kinder aus den anderen Gruppen profitieren von der inklusiven Spielgruppe und werden abwechselnd dazu eingeladen, um mit zu spielen. Für sie ist es willkommene Ablenkung im Kindergartenalltag und sie freuen sich auf das tolle Equipment, wie den Leuchttisch, die Diskokugeln, der Rocking Bowl oder die Massagematte. Für Heike ist es wichtig, dass es eine gewisse Durchmischung der Kinder gibt, damit „inklusiv“ nicht nur ein Wort bleibt bei SMILE. Alle können voneinander lernen.

Omar hat es vorgemacht, jetzt wollen alle Kinder ins Bällebad hüpfen. Ein wildes Tohuwabohu aus Kinderbeinen, Armen und Bällen wirbelt durch die Luft. Hier und da ragt ein Gesicht aus dem bunten Bad und grinst.

Trotz Autismus Fortschritte in der Entwicklung

Milana ist hingegen zurückhaltend und steht in sicherer Entfernung zum Pool. Sie ist am liebsten alleine bei einer Spielstation und braucht viel Ruhe. Sie wirkt so, als wäre sie ganz in ihre eigene Welt versunken. „Milana hat eine ASS-Diagnose und spielt vorwiegend mit sich selbst“, berichtet Heike. „Das bedeutet sie ist im Autismus-Spektrum. Doch sie kommt seit Anfang an regemäßig zu SMILE und wir können sehr schön die Fortschritte bei ihr beobachten. Sie setzt sich mittlerweile auch schon zu anderen Kindern und lächelt sie an!“ Interaktion und gemeinsame Spielzeit ist für Heike Kowar das Wichtigste bei Smile. „Mein Anspruch ist es, die Kinder zu einem kurzweiligen, gemeinsamen Tun einzuladen. Die große Herausforderung besteht darin, beharrlich zu bleiben und immer wieder etwas anzubieten. Selbst wenn es nur Mini-Steps sind, sehe ich die Fortschritte und kann mich riesig darüber freuen und die Eltern dafür sensibilisieren! Das ist, glaube ich, mein Vorteil bei dieser Arbeit!“ Heike gibt den Eltern auch immer wieder Rückmeldung über die Entwicklung und ist nach dem offiziellen Teil noch für die Eltern da, wenn sie etwas unter vier Augen besprechen wollen oder Fragen auftauchen.

Zu wenig inklusive Kindergartenplätze im ganzen Land

Einmal im Monat kommt Bettina Gwhis, mobile Entwicklungsbegleiterin, die Fachvorträge zu elternspezifischen Themen hält. Sie kennt deren Herausforderungen gut und die allgemeine Situation in Wien: „Die Versorgungslage mit Inklusionsplätzen ist schlecht. Daraus ergibt sich, dass oft nur ein Elternteil arbeiten gehen kann, weil der andere beim Kind ist. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die finanzielle Situation der Familie, bei gleichzeitig hohen Therapie- und oder Ärzt:innenkosten oder langen Wartezeiten.“

Auch Heike Kowar hat viel Erfahrung im Bereich Heilpädagogik. Sie ist Elementarpädagogin und hat jahrelang in einer basalen Förderklasse und einer heilpädagogischen Gruppe gearbeitet. Für die erfahrene Pädagogin ist die Arbeit in der Spielgruppe SMILE mit viel Freude verbunden, wie die Pädagogin selbst sagt: „Das Interesse an SMILE und der Bedarf sind groß. Mehr solche Gruppen wären sehr sinnvoll, damit noch viel mehr Kinder davon profitieren können. Unser Projekt hier läuft offiziell noch bis Juni 2025. Was danach kommt, steht noch in den Sternen…?“

Schwierige Situationen in der Gruppe meistern

Unser Gespräch wird unterbrochen. Ein kleiner Bub namens Maksim weint bitterlich. Er wollte in einen anderen Raum laufen und wurde daran gehindert, nun lässt er sich gar nicht mehr beruhigen. Die anderen Kinder scheinen gelassen, inklusive Heike. An die Lautstärke in einem Kindergarten muss man sich offenbar erst gewöhnen. Die Mutter schnappt den Kleinen nach zahlreichen Beruhigungsversuchen und verabschiedet sich von der Pädagogin, sie gehen frühzeitig heim. „Schade Maksim, du warst so gut drauf am Anfang. Naja, manchmal ist das eben so, manchmal ist man halt grantig. Ich freu mich, das nächste Mal mit dir zu spielen!“, sagt Heike zu Maksim. Als langjährige Pädagogin weiß sie, wie wichtig es ist, starke Gefühle anzusprechen und ihnen Worte zu geben.

Sanfter Übergang in den Kindergarten

Heike Kowar ist auch bemüht, den Kindern Struktur zu geben und zu zeigen, wie sie damit umgehen können. Es ist wichtig, dass sie lernen, sich auf wiederkehrende Rituale einzustellen, damit sie später den Kindergartenalltag gut bewältigen können. Denn SMILE ist der erste Schritt zur Integrationsgruppe im Kindergarten Floridsdorf (sofern Plätze frei sind!). Die Kinder kennen durch das Spielen in der SMILE-Gruppe schon vertraute Gesichter, die Räumlichkeiten und können auch mal in den anderen Gruppen schnuppern.

„Mimi bitte einräumen!“ ruft sie durch den Raum, während sie gerade selbst einige bunte Kugeln zurück ins Bällebad wirft. Sobald alle Spielsachen wieder an Ort und Stelle zurück geräumt sind, treffen sich die Kinder mit ihren Eltern und Heike wieder im Sitzkreis und singen ihr Abschiedslied: „1, 2, 3, die Spielzeit ist vorbei. Wir werden jetzt nach Hause gehen, drum sagen wir Aufwiedersehen!“

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SMILE - Inklusive Spielgruppe Entwicklungsförderung / Kindergarten / Kleinkindgruppen / Frühförderung
Wien