"Niemand von uns setzt seine Kinder mit 18 vor die Tür"
- Story
Heinz Wieser, Geschäftsführer des Diakonie Zentrum Spattstraße fordert von der Politik "ein Recht auf Betreuung über das 18. Lebensjahr hinaus."
Der Übergang zum Erwachsenenalter ist mitunter schwer
Seine Begründung: Im jungen Erwachsenenalter werden wichtige Weichen für die Zukunft gestellt. Doch der Übergang zur Verselbstständigung (Wohnung, Arbeit, Partnerschaft etc.) ist mitunter schwer und wird im Fachjargon als Adoleszenzkrise bezeichnet.
Im Schnitt ziehen junge Menschen hierzulande mit 25 Jahren von zu Hause aus – und auch dann werden die meisten noch weiter (finanziell) unterstützt. "Anders ist es jedoch ausgerechnet bei den Jugendlichen, die außerhalb der Familie, also in Wohngruppen oder Pflegefamilien, aufwachsen. Gerade bei ihnen endet die Hilfe häufig mit der Volljährigkeit. - Mit 18 müssen diese jungen Leute auf eigenen Füßen stehen", berichtet Heinz Wieser.
Marco auf seinem Weg zur Selbständigkeit
Marco (Name geändert) lebt in einer Wohngemeinschaft des Diakonie Zentrum Spattstraße. Er hat schon mehrere Stationen hinter sich – von der Familie in eine Wohngruppe, von dort in eine Pflegefamilie, von dort in die Wohngruppe Camino. Langsam ist sein Selbstwert und Selbstvertrauen gewachsen. Es ist ihm gelungen - verspätet zwar, aber in guten Schritten - eine Lehre zu beginnen.
Von seiner Lehrstelle gibt es sehr positive Rückmeldungen. Bald muss er wieder in die Berufsschule. Mit gut 18 Jahren muss er aber nun aus seiner Wohngruppe ausziehen, weil das Jugendamt einer weiteren Verlängerung der Betreuung nicht zugestimmt hat.
Marco hat das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Er ist früher in der Schule oft gescheitert. In ihm spielt sich sozusagen ein Flashback ab. Bevor er sich dieser Situation noch einmal ausliefert, schmeißt er lieber alles hin... Und riskiert damit seine Zukunft. Und das nur, weil er einfach noch zwei oder drei Jahre länger zeitweilig Betreuung brauchen würde. Genau wie andere 18-Jährige eben.
Begleitung bis 21 Jahre für alle Jugendlichen
Für Jugendliche wie Marco fordert Heinz Wieser in der Kinder- und Jugendhilfe Begleitung bis 21 Jahre: "Jugendliche mit schwieriger Lebensgeschichte brauchen Begleitung und Betreuung über das 18. Lebensjahr hinaus. Auch in einer Familie endet die Sorge und Unterstützung nicht einfach mit dem achtzehnten Geburtstag. Diese Begleitung wirkt auch stark präventiv und beugt Abstürzen vor", betont Heinz Wieser.
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Was es braucht, ist eine Anlaufstelle
Im Gegensatz zu Kindern die in ihren Herkunftsfamilien aufwachsen, verfügen viele dieser Jugendlichen und jungen Erwachsenen kaum über stabile private Netzwerke (Familie, unterstützender Freundeskreis) und ausreichende materielle Absicherung. Dennoch wird von ihnen erwartet, mit Eintritt der Volljährigkeit selbstständig zu leben.
Die Unterstützung durch die eigene Familie kann niemand ersetzen, aber ein entsprechendes tragfähiges Kooperationsnetz kann Sicherheit geben und im Bedarfsfall helfend zur Seite stehen. Das heißt, viele sogenannte CarleaverIinnen wünschen sich eine fixe Anlaufstelle, die ihnen unbürokratisch und kostenlos zugänglich ist, um ihnen den Eintritt in die Selbstständigkeit zu erleichtern. Eine adäquate Anlaufstelle müsste einerseits Beziehung, durch frühzeitiges Anknüpfen an die Institutionen, anbieten können und auch fachlich geschult für die gesellschaftliche Sonderstellung der Gruppe Careleaver sein.