Im Zirkuswagen - Wie Kinder spielerisch in ihrer Entwicklung begleitet werden
- Story
Vor einem großen grauen Haus steht ein sonnengelber Zirkuswagen. Drinnen sorgt ein Ofen für wohlige Wärme, die geblümten Vorhänge tauchen den kleinen Raum in oranges Licht und zwischen zwei senfgelben Ohrensesseln steht ein kleiner Tisch. Auf dem Tisch werden Kekse geteilt, es wird Kakao in große Häferl geschenkt und es wird gespielt - mit Handpuppen. Der kleine Tisch im gelben Zirkuswagen ist vor allem eines: Eine kleine, sehr private Bühne.
Pädagogisches Puppenspiel
Der Zirkuswagen gehört zum Sonderkrankenhaus für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Diakonie in Linz (OÖ). Und das Puppenspielen ist Teil des Arbeitsalltags von Pädagoginnen und Pädagogen. Wenn sie und die Kinder hier mit Puppen spielen, bauen sie gemeinsam verlorengegangenes Vertrauen wieder auf. "Im Zirkuswagen wird Urvertrauen aufgebaut, das man eigentlich von Geburt an hat, das aber viele unserer Kinder einfach nicht erfahren haben", sagt die Psychologin Carina Zweiner.
Das Kind sucht sich eine Puppe aus - zum Beispiel einen Räuber, einen Tiger oder eine Polizistin. Und auch die Pädagogin oder der Pädagoge schlüpft mit der Hand in eine Puppe und wird zur Großmutter, zur Ärztin oder zum Zauberer. "Dann spielen wir versorgende und fürsorgende Situationen", sagt Andreas Franzwa, der das Diakonie Sonderkrankenhaus für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Linz leitet. Die Großmutter freut sich über den Besuch des Tigers und des Kindes, bietet Kekse und Kakao an und hat Zeit für ein gemütliches Beisammensein. Die Großmutter kümmert sich um den Tiger. Sie ist für ihn da, hört zu und gibt Sicherheit. "Und durch diese Basissicherheit gelingt es dem Kind, sich zu öffnen. Es erlebt eine Vorhersagbarkeit der Erwachsenen und eine absolute Verlässlichkeit", sagt Franzwa.
Im Zirkuswagen wird Urvertrauen aufgebaut, das man eigentlich von Geburt an hat, das aber viele unserer Kinder einfach nicht erfahren haben.
Hinter dem Puppenspiel stehen nicht nur ausgebildetete Pädagog:innen, sondern auch ein umfassendes pädagogisches Konzept. Durch das Puppenspiel wird eine "symbolische Interaktion" möglich: Kind und Erwachsener treten in Beziehung, können Konflikten, Wünschen und Ängsten begegnen - und sie tun das in einem sicheren Umfeld: Im Spiel mit Puppen im Zirkuswagen.
Das Puppenspiel wird mit einer Kamera gefilmt, die in einer Ecke des Zirkuswagens installiert ist. So können die Pädagog:innen im Team genau analysieren, was während des Spiels passiert.
Symbolische Interaktion
In der weiteren gemeinsamen Arbeit mit dem Kind ist es dann möglich, Erlebnisse und Ängste aufzugreifen und die neuen positiven Erfahrungen von der Spiel- in die Realebene zu übertragen.
Manche der Kinder, die im Sonderkrankenhaus für Kinder- und Jugendpsychiatrie betreut werden, haben traumatische Erlebnisse in ihrer Vergangenheit erfahren. Auch diese können im Puppenspiel auftauchen. "Wenn ein Kind etwas Traumatisches spielt, soll sich daraus im Puppenspiel ein möglichst positiver Ausgang entwickeln", sagt Carina Zweiner. Und Andreas Franzwa ergänzt: "Im Spiel kann sich das Kind einer Situation mit weniger Angst probehandlungsmäßig nähern."
Beim Puppenspiel im Zirkuswagen geht es aber nicht in erster Linie darum, traumatische Erlebnisse aufzuzeigen. Das Puppenspiel macht es den Kindern auch möglich, jederzeit aus einer Situation auszusteigen: Wenn die Situation zu nahe geht, schlüpft das Kind einfach aus der Puppe
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Cookie EinstellungenPuppenspiel im Zirkuswagen
Das Puppenspiel im Zirkuswagen ist nur ein Teil der täglichen Arbeit, mit der die Pädagoginnen und Pädagogen der Diakonie Kindern und Jugendlichen helfen (siehe auch Infoboxen unten).
Wie die Diakonie hilft
Alle Eltern wünschen sich für die Entwicklung ihrer Kinder das Beste. Wenn Kinder unter schwierigen Umständen groß werden müssen, ist es Eltern häufig nicht möglich, gut für ihre Kinder zu sorgen. Wenn Eltern wegen einer psychischen Erkrankung oder aus anderen Gründen mit der Erziehung überfordert sind, und ihre Kinder unter Vernachlässigung oder Gewalterfahrungen leiden, können sich die Kinder nicht gesund entwickeln.
Wenn es zu Hause gar nicht mehr geht, kommen Kinder aus diesen schwierigen Lebensverhältnissen in eine heilpädagogische Kindergruppe. Dort leben sie in einer kindgerechten und familienähnlichen Umgebung. Die intensive sozial- und heilpädagogische Betreuung bringt für die Kinder neue Erfahrungen und macht Veränderung möglich, damit sie in ihrer Entwicklung wieder frei werden.
Gelingende Beziehungen
Hier erleben Kinder, wie Beziehungen gelingen können. Sie lernen, was es bedeutet, jemandem ihr Vertrauen zu schenken. Sie erfahren, wie es sein kann, sich auf eine wohlwollende Beziehung einzulassen. Sie erleben, dass sie sich auf Erwachsene verlassen können. Sie lernen ihre Gefühle kennen, und diese auszudrücken. Sie erleben, wie sie selbst durch ihr Verhalten gelingende Beziehungen gestalten können. Diese Arbeit nennen wir in der Fachsprache "bindungsgeleitete Arbeit". Sie bildet die Basis für alle diese positiven Erfahrungen.
Hand in Hand mit Lernförderung, individuellen Therapien (Logopädie, Ergotherapie, Kinderpsychotherapie), Klinischer Psychologie und Elternarbeit wirken die Kindergruppen als heilsamer Ort.