Gemeinsam Lernen und Hilfe, wo sie gebraucht wird
- Story
Nuur (14) und Ali (15) sitzen mir zwar etwas schüchtern gegenüber, aber im Gespräch übers Lernen und ihre Stärken tauen sie sofort auf. Sie kommen seit ein paar Wochen beide mindestens einmal in der Woche zur Lernbetreuung bei INTO Wien, weil sie in der Schule noch besser werden wollen. In allen Fächern. Nicht nur da, wo sie schon gut sind.
In der Schule haben sie LehrerInnen, die sie unterstützen. Nuur spricht sehr positiv von seiner Schule. Von manchen hört Ali aber auch, dass er es im nächsten Schuljahr bestimmt nicht ins Oberstufen-Gymnasium schaffen wird. Das tut ihm weh. Und er will es sich und allen beweisen.
30 Schulen. 29 Absagen
"Ich komme hierher zu Lisa, weil sie mich unterstützt. Und weil ich meine Deutsch-Aufsätze noch besser machen möchte. Und in Englisch hilft sie mir auch", erzählt Ali. "Im Gymnasium werde ich nächstes Jahr noch eine Sprache lernen müssen. Ich muss auswählen zwischen Spanisch und Französisch". Seit heute Vormittag ist nämlich alles fix:
Ali war gemeinsam mit Lisa, der Lernbetreuerin, zu Besuch in der Schule, in der er für das nächste Jahr einen Platz bekommen hat. Er ist sehr glücklich darüber, und seine Familie auch. - Lisa wird mir erst im Anschluss an das Gespräch mit den Burschen erzählen, wie schwierig die Suche nach diesem Schulplatz war. "29 von den 30 Schulen, die wir gemeinsam angeschrieben haben, haben Ali eine Absage geschickt. Obwohl er sehr gute Noten hat", schildert Lisa den Krimi der Schulplatzsuche. "Als dann diese Privatschule anrief, konnte ich es gar nicht glauben, und habe auch sofort erklärt, dass es ein Irrtum sein muss, denn Alis Familie kann sich keine Privatschule leisten. Aber nach dem Kennenlernen heute früh ist es wirklich fix", freut sich Lisa. "Ali bekommt ein Stipendium, und darf diese Schule kostenlos besuchen."
Die Lernbetreuung der Diakonie bei INTO Wien, die von Lisa Kremling (hauptamtlich) und derzeit 36 ehrenamtlichen LernbetreuerInnen getragen wird, bedeutet für die Kinder und Jugendlichen neben klassischer Lernhilfe bei Hausübungen oder Referats- und Prüfungsvorbereitungen, auch einen Begegnungsort. "Uns ist wichtig, dass wir hier einen Raum haben für ein Miteinander, für Austausch, Spiele und wir haben auch Workshop- und Gruppenangebote", erklärt Lisa Kremling, die Koordinatorin des Diakonie-Projekts in Wien Margareten.
Mehr Nachfrage als Kursplätze
"Seit einigen Semestern erleben wir einen größeren Nachfrage, als wir Kursplätze haben", so Lisa Kremling, "wir sind inzwischen sehr gefragt." Insgesamt sind in diesem Jahr 88 SchülerInnen zwischen 6 und 22 Jahren in der Lernbetreuung angemeldet. "Während der Corona-Zeit konnten wir die meisten SchülerInnen über Whatsapp-Telefonie zumindest teilweise weiter betreuen und beim Lernen bei der Stange halten", erzählt Lisa Kremling. Einige SchülerInnen sind sogar in dieser Zeit dazugekommen, weil in der Home-Schooling-Zeit vor allem über Email und Whatsapp Hausübungen gecheckt werden konnten. "Da haben uns dann auch die Geschwister und Cousins unserer Lernkinder 'entdeckt', und begonnen, diese Online-Hilfe in Anspruch zu nehmen", erzählt Lisa.
Nuur ist auch einer von diesen Burschen. Er stammt aus Somalia und besucht die zweite Klasse eines Gymnasiums mit Schwerpunkt Kunst. "Ich verbringe viel Zeit mit zeichnen und malen, und ich wollte in der Corona-Zeit selbständig lernen. Ich kann das auch ganz gut, und die Klassenkollegen helfen mir auch, aber mein Papa hat mir gesagt, hier kann ich Hilfe kriegen. Und das war eine gute Idee", erzählt Nuur.
Schule und Corona
"Ich habe die Zeit ohne Schule auch gar nicht so schlecht gefunden, weil ich mir für den Stoff mehr Zeit nehmen konnte als in der Schule, und mir alles in Ruhe anschauen konnte", erzählt er über die Home-Schooling-Zeit.
Und noch etwas: "In der Corona Zeit habe ich begonnen politisch zu denken. Man musste ja die ganzen Regeln jeden Tag verstehen, und ich habe mich mit den Aussagen der Politiker beschäftigt. Ich finde es nicht gut, dass der Kanzler jetzt immer beliebter wird, aber am schlimmsten fand ich, dass ein FPÖ Politiker gesagt hat, dass der Koran gefährlicher ist als Corona", beklagt sich Nuur.
"Wenn solche Menschen gewählt werden, haben wir Flüchtlinge es in Österreich sehr schwer", sind sich die beiden Jungs einig. Und dann konzentrieren sie sich wieder auf ihre Hausübungen, im Lernraum bei INTO, in Wien Margareten.
Autor:innen
Dr.in Roberta Rastl-Kircher
KommunikationPressesprecherin & Medienarbeit