Ein cleverer Schachzug: Der Schachworkshop für Kinder im Beratungszentrum Ukraine
- Story
Anastasiya ist professionelle Schachlehrerin und sitzt seit ihrem 4. Lebensjahr am Schachbrett. Die gebürtige Ukrainerin hat sogar in der Jugendweltmeisterschaft mitgespielt. Sie lebt seit fast 10 Jahren in Österreich, doch sie weiß genau, wie es den ukrainischen Kindern hier geht, sie kennt ihre Sprache, den traditionellen, kulturellen Background der Kinder, aber auch die Herausforderungen, was es bedeutet in einem anderen Land Fuß zu fassen. Anastasyia finanziert sich ihr Studium (Zahnmedizin) mit den Schachkursen, die sie privat als Einzelunterricht oder für Gruppen anbietet - so wie diesen hier im Ukrainezentrum. Mit viel Geduld und Motivation trainiert sie hier die Kinder.
Schach ist in der Ukraine von großer Bedeutung. Dass dort so viele Menschen spielen, liegt vor allen an der Förderung des Sports in der ehemaligen Sowjetunion. Doch auch nach der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 hat das Land einige Schachgrößen hervorgebracht, darunter Marija Musytschuk, die 2015 den Weltmeistertitel der Frauen gewann.
Statistisch gesehen ist Schach das populärste Brettspiel auf der ganzen Welt und die am meisten heruntergeladene Spiele-App fürs Smartphone. Auch Herwig Strießnig, Berater im Ukrainezentrum, ist leidenschaftlicher Schachspieler. Sein Vater spielte regelmäßig mit ihm als Kind, seither hat Herwig Feuer gefangen und spielte viel in Vereinen. Auch heute verbringt er noch viel Zeit am Schachbrett und spielt gerne gegen die Kinder im Ukrainezentrum. Auf seine Initiative hin wurde dieser Schachworkshop ins Leben gerufen. Dank einer Spende von Aldi findet er bereits seit Mai 2023 statt, an die 40x im Jahr. Ob der Kurs auch noch 2025 weiter besteht, ist noch unklar, denn die Geldmittel laufen langsam aus. Schachtrainerin Anastasiya sind die Kinder schon so ans Herz gewachsen und sie möchte den kindlichen Ehrgeiz und Lernwillen weiterhin fördern. Ob Förderung oder nicht, sie wird auf jeden Fall weiterhin mit den Kids hier trainieren.
An diesem Dienstag Nachmittag sind elf Kinder im Raum, in dem der Schachkurs stattfindet, Mädchen wie Buben. Anastasiya erklärt den Kindern über ein projiziertes Schachbrett über den Beamer die Grundregeln sowie Tipps und Tricks für clevere Züge. „Eigentlich ist Schachspielen leicht. Doch sich zu verbessern und weiter zu kommen, ist sehr schwer!“, erzählt Anastasiya. „Als wir mit dem Schachkurs begonnen haben, waren die Kinder schnell unruhig geworden und wild im Raum herumgerannt. Doch das hat sich total gebessert. Die Kinder haben gelernt zu sitzen, sich zu konzentrieren und dranzubleiben. Das ist so schön, mit anzusehen!“, erzählt uns Anastasiya.
Schach ist aber auch ein beliebtes pädagogisches Werkzeug, wie Herwig berichtet: „Schach ist ein ruhiges Spiel – nichts Besseres also, wenn es ein paar aufgeweckten Kids verhilft einmal zur Ruhe zu kommen und sich im Schachspielen zu vertiefen.“
Studien belegen, dass Schach gerade Kindern zwischen sechs und neun Jahren viel zu bieten hat. Zahlreiche Studien belegen den pädagogischen Nutzen des Spiels im Volksschulalter: Konzentration und Geduld werden gefördert, Entscheiden und Vorausdenken werden trainiert. Schach vermittelt auch soziale Kompetenzen, etwa die Möglichkeiten des anderen zu beachten, aus Fehlern zu lernen und mit Würde zu verlieren. Kinder, die Schach spielen, haben nicht nur in Mathematik bessere Noten, auch ihr Leseverständnis wird gefördert. Dahinter steckt, dass Schachsiege selbst erarbeitet werden und das Selbstbewusstsein und die Eigenverantwortung fördern. Interessant ist auch, dass Schach in 30 Ländern Inhalt des Lehrplans ist.
Und was sagen unsere Profis hier im Ukrainezentrum? „Was ist wichtig beim Schachspielen?“, fragen wir in die Runde.
„Muster erkennen, vorausdenken, logisches Denken. Auch eine gewisse Rechenleistung ist gefragt“, berichtet Herwig. „Neben Talent, räumlicher Vorstellungskraft, Kreativität, Kampfgeist, Ausdauer, Merkfähigkeit gehört auch regelmäßiges Üben dazu“, ergänzt Anastasiya. Wir beobachten wie sich die Kinder die Hand geben, bevor das Spiel beginnt und der erste Zug gemacht wird. Soziale Kompetenzen wie Fairness und Kollegialität werden hier auch gelernt.
Schach ist ein gutes Mittel für ukrainische und andere geflüchtete Kinder erste soziale Kontakte zu knüpfen, denn die Schachregeln sind weltweit überall gleich und man braucht keine Deutschkenntnisse, um miteinander eine Partie zu spielen. Hier in Beratungszentrum wird Schach zu einem geselligen Ereignis. Man trifft sich, es stehen kleine Snacks bereit und davor und danach haben auch die Eltern die Möglichkeit sich kennenzulernen – und die Kinder die Chance in einer Community Halt zu finden - und vielleicht auch Freunde?
Beratungszentrum Ukraine
Das Beratungszentrum Ukraine ist eine Einrichtung des Diakonie Flüchtlingsdiensts und bietet neben Wohnberatung, Sozialberatung, Sozialmedizinischer Beratung und Arbeitsmarktintegrationsberatung auch Workshops und Kurse für vertriebene Menschen aus der Ukraine an. Neben Graffiti-Workshops oder Fotokursen finden auch regelmäßige Schachkurse für Kinder statt.