Aus dem Altersheim wieder zurück nach Hause
- Story
Nach einem Sturz war plötzlich vieles anders
2020 veränderte sich alles im Leben von Johann Mayer. Der gelernte Dachdecker fiel von einer Leiter, die zu einem Scheunen-Dachboden führte. Zu diesem Zeitpunkt war er 68 Jahre alt und bereits in Pension. Beim Sturz brach er sich mehrere Wirbel der Halswirbelsäule und zog sich eine Verletzung des Rückenmarks zu. Die Diagnose: inkomplette Querschnittlähmung. Dabei sind die Nerven stark geschädigt, aber nicht vollständig durchtrennt. Muskelkraft und Empfindungsvermögen blieben teilweise erhalten. Das bedeutete, dass Johann Mayer sich zwar kaum noch bewegen konnte, aber dennoch zum Teil Schmerzen empfand.
Vom Krankenhaus ins Pflegeheim
Nach dem folgeschweren Unfall verbrachte Herr Mayer viel Zeit in Krankenhäusern. Erschwerend kam der Ausbruch der Corona-Pandemie hinzu, die einen Reha-Aufenthalt erst sehr verspätet möglich machte und auch seine Angehörigen konnten ihn nur wenig besuchen und unterstützen.
Herr Mayer lebt seit dem Unfall mit einer künstlichen Öffnung der Luftröhre (Tracheostoma), welche die Atmung erleichtert. Außerdem muss er mit einer Sonde künstlich ernährt werden und braucht medizinische Hilfe bei der Harn- und Stuhlentleerung. Aufgrund seiner reduzierten Lungenfunktion und schlechten Wundheilung war sein Gesundheitszustand zwischenzeitlich sehr fragil. Die Situation erforderte im Krankenhaus einen enormen Personalaufwand und sehr viel medizinisches Know-how, um ihn gut versorgen zu können. Häusliche Versorgung schien zu diesem Zeitpunkt in weite Ferne gerückt zu sein. So wurde ein Platz in einem Pflegeheim für Herrn Mayer organisiert.
Der große Wunsch, wieder Zuhause leben zu können
Im Herbst 2020 zog Johann Mayer ins Haus für Senioren der Diakonie in Mauerkirchen ein. Mit seinem Humor und seiner positiven Einstellung zum Leben wurde er bald ein beliebter Bewohner für Team und Mitbewohner:innen. Auch wenn sein gesamter Tagesablauf viel Pflege, sowie viele Physio- und Ergotherapien beinhaltete, schaffte er es immer wieder, mitzuarbeiten, zu kämpfen und die Hoffnung auf eine Zukunft Zuhause nicht aufzugeben.
Wir waren alle sehr involviert, das Wohlbefinden von Herrn Mayer war dem ganzen Team extrem wichtig und beschäftigte uns sehr. Wir verstanden seinen Wunsch, waren aber auch besorgt.
Bangen ums Leben
Nach einem Herz-Kreislaufstillstand, aufgrund seiner schlechten Lungenfunktion, konnte Johann Mayer durch das schnelle Handeln eines Pflegers reanimiert werden und erholte sich schnell. Gleichzeitig verstärkte der Zwischenfall seinen Wunsch, wieder Zuhause leben zu wollen. Im Team des Hauses für Senioren war man hin- und hergerissen zwischen dem Bemühen, Johann Mayer seinen Auszugs-Wunsch zu erfüllen und der Sorge, wie die umfangreiche Pflege zuhause ermöglicht werden könne. „Wir waren alle sehr involviert, das Wohlbefinden von Herrn Mayer war dem ganzen Team extrem wichtig und beschäftigte uns sehr. Wir verstanden seinen Wunsch, waren aber auch besorgt“, erinnert sich Bernadette Mairinger, Pflegedienstleiterin im Haus für Senioren Mauerkirchen. Im Team schlichen sich Zweifel ein, ob sie etwas falsch machten und Johann Mayer sie darum verlassen möchte. Diese Bedenken löschte er aber gleich wieder aus: „Ihr seid alle super. Aber ich will nachhause.“
Gut vorbereitet nach Hause
Eine entscheidende Wendung kam, als die Versicherung die finanziellen Möglichkeiten für die Einrichtung sämtlicher Unterstützung zuhause zusagte. Viele Gespräche, Diskussionen und Überlegungen später wurde ein Plan erstellt. Sämtliche Hilfsmittel, wie ein E-Rollstuhl oder ein multifunktionales Pflegebett, wurden organisiert, Kontakte zu Ärzt:innen, Therapeut:innen oder Pflegepersonal wurden hergestellt, Angehörige ins Boot geholt, Behörden informiert und das Haus behindertengerecht umgebaut.
Beruhigend war ebenfalls die Tatsache, dass Herrn Mayers Tochter diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin ist und seine Schwester jahrelang in der Pflege tätig war. Letztendlich entscheidend für das Team, Herrn Mayer „gehen zu lassen“, war sein unglaublicher Lebenswille. Und sein Versprechen, zurückzukommen, falls es Zuhause nicht funktionieren sollte.
Nicht ganz ein Jahr nach seinem Einzug war es dann so weit: Johann Mayer durfte Nachhause. Das gesamte Betreuer:innen-Team wurde von Bernadette Maringer kurz vor der Übersiedlung noch intensiv geschult: „Anders hätte ich ihn nicht ziehen lassen können.“
Das neue Leben Zuhause
Inzwischen lebt Herr Mayer zuhause, gut betreut von seiner Lebensgefährtin, seiner Schwester, seiner Tochter und dem Pfleger:innen-Team. Seit dem Auszug sind nun schon zwei Jahre vergangen. Auch, wenn Vieles nicht immer einfach ist, Johann Mayer hat seine Lebensfreude nicht verloren. Er nutzt jeden Tag, als wäre er sein letzter. Seine gesamte Familie steht hinter ihm, gemeinsame Ausflüge stehen auf der Tagesordnung.
Das Team des Haus für Senioren in Mauerkirchen ist oft mit ihm in Kontakt – manchmal bekommt er von seinen Betreuer:innen auch Besuch. Schaut man in sein Gesicht, weiß man, warum es gut war, diesen Aufwand zu betreiben: Der Wunsch, zuhause leben zu können, hat Johann Mayer am Leben gehalten.
Wie möchten Sie alt werden?
Wir gehen auf den Menschen und seine Bedürfnisse ein und begleiten ihn individuell. Gute Pflege heißt für uns, Bedürfnisse zu erkennen und individuell zu antworten. Mobil oder stationär ist nicht die Frage - sondern wie möchten Sie alt werden?
Ein Leben im Alter muss individuell sein, so auch die Dienstleistungen, die Menschen benötigen.
Frau Mayer sucht eine Tagesbetreuung, um hier tagsüber gut begleitet zu werden – sie lebt mit Demenz. Herr Müller sehnt sich nach Gesellschaft zuhause, neben der Mobilen Hilfe, die vorbeikommt, um die Grundpflege zu machen.
Der Ausbau von bedarfsgerechten Pflege- und Betreuungsangeboten ist ein wichtiger Schritt und sollte Teil der Pflegereform sein – ein gesamthafter Blick, der bis dato fehlt.