2 Jahre Krieg in der Ukraine - Einblicke in die Lage nahe der Front

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20. Februar 2024
„Je weiter man in den Osten der Ukraine kommt, desto stärker bestimmt der Krieg alle Bereiche des Lebens. Die Zerstörung ist wahnsinnig groß“, berichtet Katharina Lehner, Teamleitung der Diakonie Katastrophenhilfe, über ihren Besuch vor Ort.

Zerrissene Familien – schwierigste Lebensbedingungen


Auf den ersten Blick wirkt Kiev so, als ob der Krieg hier kaum Auswirkungen hätte. Doch schon bald, vor allem im Gespräch mit den Menschen, treten die vielen Probleme zutage, die durch den Krieg entstanden sind. Fünf Millionen Menschen wurden innerhalb des Landes vertrieben, viele von ihnen bereits zum zweiten Mal.

Die Gesellschaftsstrukturen wurden zerrissen – es wird sehr lange dauern, bis diese Wunden auch nur annähernd wieder heilen können. Mütter und Kinder sind in Kiev oder im Ausland untergebracht, die Männer kämpfen an der Front. Viele Kinder, Frauen und Männer sind traumatisiert.

Die Wohnungspreise in den Städten sind hoch, die Mütter haben, auf sich allein gestellt als Alleinerzieherinnen in Kriegszeiten, kaum Möglichkeiten zu arbeiten. Die staatlichen Hilfen sind zu gering, um Mieten und die Kosten des täglichen Bedarfes zu decken. Ohne zusätzliche Unterstützung ist kein Auskommen zu erlangen. Deshalb kehren manche in ihre Häuser in umkämpften Gebieten zurück, weil sie keine Alternative haben.

Das Leben nahe der Front


In der Region Shevchenkove, mit 60 Gemeinden, leben aktuell nur noch cirka 12.000 Menschen. Mehr als die Hälfte davon sind ältere Personen. Einige Monate lang waren die Dörfer unter russischer Besatzung. Darüber, was zu dieser Zeit erlebt wurde, spricht kaum jemand. Geblieben sind Zerstörung und verminte Felder. Von den zwölf Schulen der Region sind sieben so stark zerstört, dass sie nicht wiederaufgebaut werden können. Drei weitere Schulen wurden beschädigt, viele Kinder müssen online von zuhause aus lernen. Die meisten lokalen Unternehmen wurden durch Angriffe zerstört, die Wirtschaft kam zum Erliegen.

Seit der Annexion der Krim im Jahr 2014 hatte sich der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine nicht beruhigt. Am 24. Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine. Unmittelbar  nach dem Einmarsch startete die Nothilfe der Diakonie Katastrophenhilfe mit ihren Partnerorganisationen in den Nachbarländern Rumänien und Moldau und auch in der Ukraine selbst.

Vollkommen zerstörte Schule in der Region Shevchenkove. Nur zwei von zwölf Schulen der Region blieben unversehrt. / © Roman Malkon/Diakonie Katastrophenhilfe

Je weiter man in den Osten der Ukraine kommt, desto stärker bestimmt der Krieg alle Bereiche des Lebens. Die Zerstörung ist wahnsinnig groß.

Katharina Lehner, Teamleitung der Diakonie Katastrophenhilfe

Auch hinterließen Okkupation und Krieg viele ungeklärte juristische Fragen rund um Landbesitz und behördliche Dokumente, wie Sterbeurkunden oder Heirats- und Geburtsurkunden. Zum Beispiel muss der Status von Kindern, die unter russischer Besatzung zur Welt kamen, geklärt werden. Die Partnerorganisation der Diakonie Katastrophenhilfe unterstützt in diesen rechtlichen Belangen. Dabei arbeiten die Helfenden unter sehr schwierigen und gefährlichen Bedingungen, oft muss aus Sicherheitsgründen der Ort gewechselt werden.

Allein zurückgeblieben in den Wirren des Krieges

Oft sind es alleinstehende, ältere Frauen, die in den Häusern zurückgeblieben sind. „Mein Haus wurde bei einem Angriff komplett zerstört“, erzählt uns eine Frau, die jetzt in der Nähe von Izyum im Haus einer Freundin wohnt. Auch dieses ist schwer beschädigt. An ihrem neuen Wohnort ging im Eingangsbereich eine Mine in die Luft, klärt sie uns auf. Sie hatte Glück, kam mit einer vorübergehenden Hörbeeinträchtigung, dem Schrecken und einem beschädigten Haus davon.

Mit dem Schrecken und einer vorübergehenden Hörbeeinträchtigung kam diese Frau davon, als hier, vor ihrem Hausengang, eine Mine explodierte. / © Diakonie Katastrophenhilfe

Oder der 69-jährige Leonid, der in einem schwer beschädigten Haus ohne Strom lebt. „Bei den Reparaturen, die jetzt vorgenommen werden, geht es darum, Überleben zu sichern. Dächer und Fenster werden behelfsmäßig repariert, damit es nicht hineinregnet und geheizt werden kann. Es gibt Häuser, die bereits dreimal bei Angriffen beschädigt wurden“, erzählt Katharina Lehner.

Evakuierungen aus der Gefahrenzone

Ältere und kranke Menschen haben oft nicht die Möglichkeit zu fliehen. Die 62-jährige Alla erlitt einen Schlaganfall – und ist auf Unterstützung angewiesen. Unsere Partnerorganisation East SOS holt sie aus dem Krankenhaus in Izyum ab. Sie wird in ein größeres und sichereres Krankenhaus in Dnipro gebracht. Auch wird sie nach dem Spitalsaufenthalt weiterhin Hilfe brauchen, bereits jetzt wird nach einer dauerhaften Unterkunft für sie gesucht, in der sie langfristig angemessen betreut und gepflegt werden kann.

Ältere und kranke Menschen werden aus umkämpften Gebieten evakuiert. Im Krankenhaus in Izyum ist aktuell nur der Hinterausgang nutzbar, da der Vordereingang durch Kampfhandlungen stark beschädigt wurde. / © Roman Malkon/Diakonie Katastrophenhilfe

Die Stadt Izyum ist weitgehend zerstört. Nur noch die Hälfte der ehemals 400.000 Einwohner:innen lebt aktuell noch in der Stadt, die bis  vor kurzem okkupiert war. Aus der angrenzenden, sogenannten „grauen Zone“ kommen immer wieder Personen, die dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, nach Izyum. Etwa Menschen, die einen Rollstuhl benutzen oder Personen mit Demenz. Sie sind von den erlittenen Strapazen gezeichnet und oft in schlechtem körperlichem Zustand. Unser Partner East SOS kümmert sich um ihre Unterbringung und um die Versorgung mit dem Nötigsten.

„Wir werden euch nicht vergessen“ – die Aufschrift auf einem zerbombten, verlassenen Wohnhaus in Izyum. Die wieder befreite Stadt ist vollkommen zerstört. / © Diakonie Katastrophenhilfe

Auch in der Region Donetsk, etwa 25 km von der Front entfernt, bietet sich ein Bild von Zerstörung. Überall Beschuss und Krater von Einschlägen. Viele Menschen haben monatelang in ihren Kellern gelebt, da in den Dörfern gekämpft wurde. Oft sind dies Erdkeller, nicht ausgebaut und ungeheizt. „Wir konnten im Keller nicht einmal aufrecht stehen“, erzählt ein älterer Mann über die Wochen, als sie sich versteckt hielten, um zu überleben.

Rückkehr in zerstörte, verminte Ortschaften

Im kleinen Ort Studenok leben aktuell 600 Menschen, halb so viele wie vor dem Krieg. Zur Zeit der Okkupation waren es nur 50, nach dem Abzug kamen 550 Menschen zurück. Aber das Leben im zerstörten Dorf ist ohne Unterstützung nicht zu bewältigen. Vor allem die Verminung stellt ein sehr großes Problem dar. Die Menschen können keine Landwirtschaft betreiben und kein Feuerholz aus dem Wald holen. Das wäre zu gefährlich. Immer wieder werden Personen, auch Kinder, durch Minen verletzt oder auch getötet.

Felder wurden weitflächig vermint. Landwirtschaftliche Flächen, die Nahrungsversorgung sichern, können nicht bewirtschaftet werden. / © Diakonie Katastrophenhilfe

Weiterhin Unterstützung notwendig


Die Diakonie Katastrophenhilfe unterstützt aktuell u.a. in frontnahen Gebieten und nach Evakuierungen mit Nahrungsmitteln und Hygieneprodukten. Die Partner der Diakonie leisten in Abstimmung mit anderen Organisationen vor Ort die nötige humanitäre Hilfe, und passen diese laufend an den aktuellen Bedarf an.

Ukraine-Nothilfe

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