Pflegekongress: Diakonie-Direktorin zum Thema Würde in der Pflege
- Pressemitteilung
In ihrer Keynote beim heutigen Pflegekongress im Austria Center Vienna befasst sich Diakonie-Direktorin und Sozialethikerin Dr.in Maria Katharina Moser mit dem Thema Würde in der Pflege. „Rahmenbedingungen für eine Würde-achtende Pflege zu schaffen, muss ein zentrales Ziel für die Pflegereform sein", ist Moser überzeugt.
Angewiesensein
Pflege zu brauchen bedeute, auf andere Menschen angewiesen zu sein. Pflegebedürftigkeit stehe damit im Kontrast zu Unabhängigkeit und Selbstbestimmung – Werte, die einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft hätten. Man müsse aber unterscheiden zwischen vermeidbaren und vermeidbaren Abhängigkeiten. In bestimmten Lebensphasen sei Abhängigkeit unvermeidbar, sie gehöre zum Menschsein dazu.
Moser bezieht sich auf care-ethische Ansätze, die den Menschen von der Geburt her denken und zeigen: Am Anfang unseres Lebens sind wir angewiesen auf andere Menschen, um zu überleben. Diese Abhängigkeit begegnet uns wieder in Phasen der Krankheit und im Alter. „Wir Menschen sind verletzliche, abhängige, aufeinander angewiesene Wesen", so Moser. „Es geht darum, dieses Angewiesensein in unser Leben zu integrieren."
„Aus dieser Perspektive verletzt Abhängigkeit von Hilfe und Pflege die Würde der pflegebedürftigen Person nicht, weil Abhängigkeit genauso zum Menschsein gehört wie die Würde", so die Sozialethikerin. Sie schlägt deshalb auch vor: „Sprechen wir nicht von Würdeverlust und Würdebewahrung in der Pflege, sondern sprechen wir von Missachtung bzw. Achtung der Würde."
Im Zentrum von würde-achtender Pflege steht die Person mit Pflegebedarf
"Für würde-achtende Pflege ist es mitunter wichtiger zu wissen, was für ein Mensch Pflegebedarf hat, als zu wissen, was für einen Pflegebedarf ein Mensch hat", meint Diakonie-Direktorin Moser.
Im Zentrum von würde-achtender Pflege steht die Person mit Pflegebedarf, die zentrale Frage sollte deshalb lauten: „Wie willst du leben?" Dies ist laut Moser mit Konflikten verbunden. „Salopp gesagt: Menschen mit Pflegebedarf wollen nicht immer das, was aus fachlicher Sicht gut für sie wäre."
Pflegekräfte müssen deshalb häufig zwischen der Selbstbestimmung und dem Schutz der Person mit Pflegebedarf abwägen. „Wir haben es mit ethischen Dilemma-Situationen zu tun. Und bei einem Dilemma gibt es die reine, nur gute, nur richtige Entscheidung nicht", so Moser. „Entscheidend für würde-achtende Pflege ist, nicht über die Selbstbestimmung der KlientInnen hinwegzugehen, sondern diesen Konflikt zu sehen und sich ihm zu stellen."
Die Politik sollte fragen „Wie willst du pflegen? Und was brauchst du, um gut pflegen zu können?"
Würde-achtende Pflege braucht allerdings Zeit, und diese sei im aktuellen Pflegesystem häufig nicht vorhanden. Laut Moser hätten Pflegekräfte eine klare Vorstellung von würde-achtender Pflege, könnten dieser aber aufgrund von knappen Personalschlüsseln, Stopp-Uhr Pflege und Bürokratie nicht gerecht werden: „Pflegepersonen bleibt zu wenig Gestaltungsspielraum, um das zu tun, was die Pflege zu einer erfüllenden Arbeit macht. Sie sind deshalb immer wieder gezwungen, hinter ihren eigenen Ansprüchen an gute Pflege zurück zu bleiben."
Die Verantwortung dürfe nicht auf die Pflegepersonen abgewälzt werden. Die Diakonie-Direktorin sieht Trägerorganisationen, Staates und Gesellschaft insgesamt in der Pflicht, für gute Rahmenbedingungen zu sorgen. „Deswegen brauchen wir so dringend eine Pflegereform, die nicht nur an dem einen oder anderen Rad dreht, sondern das Pflegesystem grundlegend umbaut", meint Moser.
Maßgeblich sei neben der Frage an Menschen mit Pflegebedarf "Wie willst du leben?" die Frage an Pflegekräfte: 'Wie willst du pflegen? Und was brauchst du, um gut pflegen zu können?', so Moser abschließend.