Gleichbehandlungsanwaltschaft und Diakonie prangern Diskriminierung bei Wohnungsvergaben an

  • Pressemitteilung
11. September 2023
Leistbares Wohnen ist wichtige Lebensgrundlage und muss für alle in gleicher Weise zugänglich sein

„Menschen mit ausländischem Namen und Akzent werden bei der Wohnungssuche diskriminiert. Das sehen wir, wenn sich Betroffene an die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden, und das haben wir jetzt in einer Studie nachgewiesen“, sagt Sandra Konstatzky, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW).

Die aktuelle SORA-Studie im Auftrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft zeigt: Makler:innen luden den Testanrufer mit „fremd“ klingenden Namen und Akzent in nur 38% Prozent und private Vermieter:innen in 78% der Anrufe zu einer Wohnungs-Besichtigung ein, während der Testanrufer mit  „österreichisch“ klingenden Namen immer einen Besichtigungstermin bekam.

„Das Gleichbehandlungsgesetz verbietet Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit auch beim Zugang zu Wohnraum. Das Studienergebnis ist alarmierend: Die Immobilienbranche muss daher alles daransetzen, um künftig hohe Standards für eine diskriminierungsfreie Wohnungsvermittlung festzulegen“, fordert Konstatzky. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft hat eine Empfehlung erarbeitet und stehe für Gespräche zur Verfügung.

Die Diakonie bestätigt Ergebnisse der Studie aus praktischer Erfahrung

„Die geflüchteten Menschen, die zu uns in die Beratung kommen, erzählen fast alle von einem schwierigen Weg, bis sie überhaupt einmal mit einem Makler oder einer Vermieterin in Kontakt kommen und als Mieter:in in Betracht gezogen werden. Und dann müssen sie eine lange Liste an Nachfragen beantworten und diverse Nachweise erbringen, die bei Österreicher:innen nicht in gleicher Weise nachgefragt werden“, erzählt Florian Hobl, Leiter der Wohnberatungsstelle des Diakonie Flüchtlingsdienst in Wien.

Eine der Benachteiligungen, die die Wohnberatung der Diakonie aufzeigt, ist die Forderung eines „Nachweises über ein Lohneinkommen von teils völlig willkürlicher und lebensfremder Höhe“, wie Florian Hobl erklärt. Dabei sage ein Lohnzettel von heute nichts über die Zukunft aus, denn: „Ein Asyberechtigter kann in einem Monat einen besser bezahlten Job bekommen, und eine Österreicherin kann in einem Monat arbeitslos sein.“

Große Familien finden kaum Wohnungen

Wer bei der Wohnungssuche besonders oft auf der Strecke bleibe, seien Familien mit mehreren Kindern. „Ihnen wird ausgerichtet, die Wohnung sei zu klein für sie. Dabei ist der Standard, der bei Wohnungsgrößen angelegt wird, einfach viel zu hoch. Dass Kinder auch bis in ihre Jugendjahre hinein ein Zimmer teilen, war auch bei uns noch vor ein, zwei Generationen Standard und ist für nicht wenige österreichische Familien immer noch normal“, so Hobl.

Diskriminierung auch beim Zugang zum Sozialen Wohnbau

Die Wohnberatung der Diakonie kennt nicht nur die Zugangsprobleme zum privaten Wohnungsmarkt, sondern auch zu Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen: „Immer wieder hört man, Flüchtlinge bekommen sofort eine Gemeindewohnung. Aber das stimmt nicht. Wie Österreicher:innen auch, müssen Asylberechtigte in Wien zwei Jahre an einer Meldeadresse gemeldet sein, um Zugang zu einer Gemeindewohnung zu bekommen. Das ist kaum schaffbar, denn gerade Geflüchtete in der Anfangsphase sind gezwungen, häufig umzuziehen“, erklärt Diakonie-Wohnberater Hobl.

Außerdem könnten nur Menschen, die Asyl haben, überhaupt einen Antrag stellen, subsidiär Schutzberechtigte oder Inhaber:innen einer Rot-Weiß-Rot-Plus- Karte seinen pauschal ausgeschlossen, wie Wohnberater Hobl ausführt.

Diskriminierung führt zu prekären Wohnverhältnissen und Ausbeutung am Wohnungsmarkt

Diskriminierung am Wohnungsmarkt mache es nicht nur schwer, eine Wohnung zu finden, sie dränge in äußerst prekäre und ausbeuterische Wohnverhältnisse, erklärt Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser: „Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund leben oft im absoluten Substandard und zahlen dafür Wucherpreise. Sie müssen für eine Wohnung, die zu klein, kalt und schimmlig ist, gleich viel oder mehr hinlegen als Österreicher:innen für eine ordentliche Wohnung im Neubau oder im sanierten Altbau. Die Wohnungsnot ist so groß, dass es keine Alternative dazu gibt.“

Dazu kommt: Die Mietverhältnisse sind hochgradig unsicher. Scheinvermietungen und Abzocke stehen auf der Tagesordnung, weiß Moser zu berichten:

„Vermittler:innen übernehmen die Rolle von nicht konzessionierten Makler:innen und kassieren ein bis zwei Bruttomonatsmieten in bar und ohne Bestätigung. Oder sie mieten die Wohnungen selbst und vermieten sie in Untermiete weiter. Wenn das Haus mit Substandardwohnungen verkauft wird, wird der Hauptmietvertrag einvernehmlich aufgelöst, die Untermieter:innen können leicht delogiert werden. Bei Zimmervermietungen in WGs entscheiden die Vermittler, wer einzieht. Menschen, die schon da wohnen, oft Frauen, können nicht mitreden. Wenn eine Frau schwanger wird, wird ihr „nahegelegt“ auszuziehen. Es wird subtil Druck auf Mieter:innen ausgeübt, oder sie werden offen eingeschüchtert“, berichtet Moser.

Lösungsansätze und Forderungen von Diakonie und Gleichbehandlungsanwaltschaft

„Die Immobilienbranche ist dringend aufgefordert, rechtskonform zu handeln und sich zu diskriminierungsfreien Vergabestandards zu verpflichten. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft hat deswegen Empfehlungen an die Immobilienbranche formuliert, die sich auf EU-weite rechtliche Standards stützen. Insbesondere empfiehlt die Gleichbehandlungsanwaltschaft, sich bei der Wohnungsvergabe an eine vorab festgelegte Liste objektiver Reihungskriterien zu halten. Das können zum Beispiel der Zeitpunkt der Anfrage sein oder die ausreichende Bonität von Interessent:innen“, unterstreicht die Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft.

Außerdem zeigt die Studie den großen Schulungsbedarf zu Diversitäts- und Gleichbehandlungsfragen in der Immobilienbranche auf. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft steht daher auch für Rechtsauskünfte und Weiterbildungen zur Verfügung.

„Am wichtigsten ist, dass ein rasches Umdenken in der Immobilienbranche stattfindet. Jedenfalls dürfen Menschen nicht aufgrund bloßer stereotyper, vorurteilsbehafteter Zuschreibungen daran gehindert werden, eine geeignete Wohnung zu finden. Das Thema muss ernst genommen werden. Die Verantwortlichen können viel bewegen und sollten sich dafür auch die nötige Beratung holen“, betont Sandra Konstatzky.

Die Diakonie schließt sich dem an und fordert darüber hinaus:

  • Mehr leistbaren, angemessenen Wohnraum und Überlegungen zu einer Leerstandstandabgabe.
  • Zugang zum kommunalen Wohnbau für Menschen mit subsidiärem Schutz oder RotWeiß-Rot-Plus-Karte.
  • Veränderungen bei den Vergabekriterien im kommunalen Wohnbau und bei Genossenschaften: Reduktion der QuadratmeterZahl pro Bewohner:in, damit auch große Familien eine Chance haben, und Anhebung des Anteils der Miete am Haushaltseinkommen (derzeit 33%).
  • Ausbau von Beratungsstellen, insbesondere in den Bundesländern, spezifisch für Menschen mit Flucht und Migrationserfahrung.

Ihre Ansprechperson zu dieser Pressemitteilung

Dr.in Roberta Rastl-Kircher
Pressesprecherin & Medienarbeit