Familiensysteme in Krisenzeiten therapeutisch stärken – Interdisziplinärer Austausch beim 1. Therapie-Symposium in Innsbruck
- Pressemitteilung
Ausbau der Therapieangebote für Kinder und Jugendliche
INNSBRUCK. Rund 150 Therapeut:innen, Partner:innen und Interessierte aus verschiedenen Fach-Disziplinen und Bundesländern tauschten sich beim ersten Therapie-Symposium des Diakoniewerks am 12. April in Innsbruck aus. Expert:innen aus Österreich und Schweden boten Einblicke in aktuelle Forschungsergebnisse und praktische Therapie-Erfahrungen. Im Mittelpunkt stand dabei auch, was die Therapeut:innen selbst stärken kann, um Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Therapiebedarf gut zu begleiten.
Mehr Therapieangebote für Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsverzögerungen zu schaffen, wird in Zukunft immer wichtiger werden. Aktuell kommen immer mehr Klient:innen mit Angststörungen und psychischen Veränderungen in unsere Therapiezentren. Viele Kinder zeigen Sprachstörungen oder sind in ihrer motorischen Entwicklung eingeschränkt. Die multidisziplinäre und integrierte Therapiearbeit kann hier ganzheitlich gute Ergebnisse erzielen.
Auch Soziallandesrätin Eva Pawlata, die am Symposion teilnahm, ist überzeugt, dass einerseits die Angebote ausgebaut werden müssen als auch die Inanspruchnahme von therapeutischer Hilfe kein Tabuthema sein darf: „Von den Nachwirkungen der Corona-Pandemie bis hin zu aktuellen Krisen, wie dem Ukraine-Krieg oder der Teuerung: Wir leben in herausfordernden Zeiten, die eine große Belastung für die psychische Gesundheit darstellen können. Wichtig ist, in psychischen und psychosozialen Ausnahmesituationen – in die wir alle geraten können – frühzeitig professionelle Hilfe und Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Denn wie bei den körperlichen Erkrankungen auch: Die meisten psychischen Erkrankungen können wirksam behandelt werden und es ist ein Zeichen von Stärke, sich in diesen Situationen Hilfe zu holen.”
Die Referent:innen spannten im Laufe der Tagung einen breiten fachlichen Bogen über das Thema des Tages “Trotzdem stark – Kinder und Erwachsene in herausfordernden Zeiten therapeutisch begleiten.”
Aktuelle Studien, Resilienz- und Praxistipps
Im ersten Vortrag widmete sich Referentin Barbara Lamm der positiven Psychologie und betonte, wie wichtig es auch für Kinder sei, dass sie einen Beitrag leisten können. Beziehungen gestalten und das Erleben von Selbstwirksamkeit sind große Kraftquellen. Zusätzlich fördern familiärer Zusammenhalt oder auch das Wissen um einen Sinn des Lebens die Widerstandskraft in Krisenzeiten.
Paul Plener zeigte anhand aktueller, umfassender Studien, wie signifikant sich die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen seit der Corona-Pandemie verschlechterte. Ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und Bewegung sind die Basis für mentale Gesundheit, auch für Erwachsene. Doch gerade bei Angststörungen und Depression braucht es rasche professionelle Begleitung. Gute Ergebnisse erzielen hier auch Gruppeninterventionen. Man weiß, was funktioniere, man müsse es nur finanzieren, so Plener.
Psychologin Sabrina Steiner und Ergotherapeutin Cornelia Engel berichteten anhand eines Praxisbeispieles von einem Erfolgserlebnis der integrierten Therapieversorgung im forKIDS Therapiezentrum. Zu ihnen kam ein Zehnjähriger mit massiven Angstzuständen und starken Verhaltensauffälligkeiten, den sie mehrere Monate begleiteten. Mittlerweile geht der Bub wieder ohne Angst in die Schule. Besonders wertvoll zeigten sich hier die vielen Elterngespräche, weil das gesamte Familiensystem unter enormem Stress stand.
Mit ihren Miniaktivitäten zum Mitmachen bot Bettina Bachschwöll bewegende Praxistipps für die Therapeut:innen selbst. Je breiter die eigenen Kompetenzen der Selbstfürsorge aufgestellt seien, desto sicherer und gesünder könne man Krisen bewältigen bzw. Menschen in Krisenzeiten begleiten, so die Ergotherapeutin. Meistens kann man emotionale Herausforderung körperlich spüren. Mit dem somatischen Markertraining kann man dies identifizieren und im Therapiealltag ansetzen.
Wie man Kinder im Autismus-Spektrum begleiten kann, berichtete Gunilla Thunberg. Die Expertin aus Schweden initiierte ein Gruppenangebot für Eltern, damit diese mit ihren Kindern leichter kommunizieren können. Die Eltern werden zu verschiedenen Themen geschult, erhalten einfache, aber effektive Bildtafeln mit Symbolen der Unterstützten Kommunikation und können zudem Erklärvideos online abrufen. Das Vorbildverhalten der Eltern wirkte sich auch auf die Kommunikationsfähigkeit ihrer Kinder aus.
Zum Abschluss des ersten Therapie-Symposiums kamen Vertreter:innen von Diakoniewerk, ÖGK, Fachhochschule sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie zu Wort. Breiter Konsens bestand darin, dass es eine gesicherte langfristige Finanzierung braucht, um den hohen Therapie-Bedarf zu decken. Der interdisziplinäre Austausch und ein leicht zugängliches Angebot werden dabei für betroffene Kinder und ihre Familien als wertvollste Unterstützung benannt. Mehr Ausbildungsplätze sowie an neue Lebensentwürfe angepasste Arbeitsbedingungen sind bereits in Umsetzung, aber noch ausbaufähig.
Therapeut:innen in 14 Therapiezentren begleiten 4.000 Menschen
Das Diakoniewerk betreibt in Tirol, Salzburg und Oberösterreich insgesamt 14 Therapiezentren. Schwerpunkt ist dabei die Begleitung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung und Entwicklungsverzögerungen. Dieses breite fachliche Wissen und der Austausch und Kompetenztransfer über drei Bundesländer hilft dabei, das Angebot kontinuierlich weiterzuentwickeln. Blicke über Österreichs Grenzen hinaus und internationaler fachlicher Austausch gehören zum Selbstverständnis des Diakoniewerks. „Das bedeutet auch, dass wir Entwicklungen in der Digitalisierung oder hybride Therapieeinsätze fachlich beobachten und in die Weiterentwicklung integrieren müssen. Auch dazu hat das Therapie-Symposium mit dem internationalen Einblick beigetragen“, sagt Daniela Palk, Vorständin im Diakoniewerk.