Diakonissen-Oberin Schwester Helga Sikora im 87. Lebensjahr verstorben

  • Pressemitteilung
11. Juni 2024
Gallneukirchen. Mit großer Trauer nimmt das Diakoniewerk Abschied von Diakonissen-Oberin Schwester Helga Sikora, die im gesegneten Alter von 86 Jahren am 10. Juni 2024 im Haus Abendfrieden, Gallneukirchen verstorben ist.

Eine Ära geht zu Ende

Als längst dienende und letzte in der Reihe von insgesamt sieben Oberinnen seit der Gründung der Schwesternschaft der Diakonissen in Gallneukirchen vor fast 150 Jahren war ihr Leben geprägt von unermüdlichem Einsatz und tiefer Hingabe für Menschen in Not.  

Mit ihrem Tod neigt sich die Ära der Diakonissen dem Ende zu, die die Identität, Kultur und die gelebte Grundhaltung des Diakoniewerks tief geprägt hat, und das Diakoniewerk auch weiter prägen wird. Sie hat ihre Mitschwestern durch eine Zeit des Wandels und Abschieds geführt und das heutige Diakoniewerk bis 2008 als Vorstandsmitglied wesentlich mitgestaltet. Bis zuletzt war sie dankbar, dass sie im Laufe der Zeit ihre Arbeit in die Hände so vieler motivierter weltlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter legen konnte. Als Mitglied des Kuratoriums blieb Schwester Helga dem Diakoniewerk bis zu ihrem Tod eng verbunden und suchte immer wieder den Austausch mit neuen und bestehenden Mitarbeitenden. 

Die Organisation trauert um eine Persönlichkeit, die ihr Leben aus innigem christlichem Glauben dem Dienst am Menschen gewidmet, mehr als 70 Jahre mit ihrem aktiven Wirken, ihrem wachen Geist, großer persönlicher Zuwendung und auch Humor das Unternehmen geprägt und die soziale Arbeit in Österreich wesentlich mitgestaltet hat. 

Biografie 

Sr. Helga Sikora wurde am 6. Oktober 1937 in Wels geboren. Nach ihrer Pflichtschulzeit kam sie als Haustochter ins Mutterhaus Bethanien in Gallneukirchen und absolvierte mehrere Ausbildungslehrgänge, darunter die Haushaltungsschule und Schwesternvorschule in Gallneukirchen sowie die Krankenpflegeschule in Graz. Im November 1958 trat sie als Probeschwester ins Mutterhaus ein. 1963 wurde sie als eine der letzten fünf Schwestern feierlich zum Amt der Diakonisse eingesegnet. 

Ihre berufliche Laufbahn führte sie durch verschiedene Häuser des Diakoniewerkes, bevor sie sich zur diplomierten Säuglingsschwester in Waiblingen bei Stuttgart ausbilden ließ. Diese Qualifikation ermöglichte es ihr, viele Jahre als Hausleiterin des Säuglingsheimes „Mühle“ in Gallneukirchen tätig zu sein. Berufsbegleitend absolvierte sie 1985/86 einen Universitätslehrgang für Sozial-Management an der JKU Linz. 1988 wurde Schwester Helga zur Oberin der Diakonissen berufen und somit auch Mitglied im Vorstand des Diakoniewerks. Sie war die letzte und längst-dienende Oberin in einer Reihe von sieben Oberinnen seit der Gründung der Schwesternschaft vor fast 150 Jahren. 

Unter ihrer Führung begleitete Schwester Helga die Schwesternschaft durch eine Zeit des Wandels. Aufgrund ausbleibender Neueintritte und dem altersbedingten Rückzug der Schwestern, wurde zunehmend weltliches Personal eingestellt, um die Arbeitsbereiche fortzuführen. 1988 zählte das Diakoniewerk 872 Mitarbeitende, heute sind es mehr als 3.800. „Auch wenn das Loslassen nicht einfach für uns war, sind wir doch dankbar, dass wir unsere Arbeit in die Hände so viel motivierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter legen konnten“, betonte Schwester Helga Sikora oft. 

Mit 1. Oktober 2008 trat Schwester Helga als Vorstandsmitglied in den Ruhestand und wurde mit der Humanitätsmedaille des Landes Oberösterreich sowie dem Goldenen Kronenkreuz der Diakonie Österreich für ihre Verdienste im Sozialwesen geehrt. In ihrer Verantwortung als Oberin begleitete sie die Schwestern 2010 beim Abschied vom langjährigen Mutterhaus Bethanien und dem Umzug in das umgebaute Haus Abendfrieden in Gallneukirchen, wo sie bis zu ihrem Tod ihren Lebensabend verbrachte.

Als unsere letzte Diakonissen-Oberin machte sie uns authentisch spürbar, was Sinn und Kern unserer Diakonissentradition ist: gerufen und verantwortlich für Menschen in sozialer Not – immer wieder selbstverantwortlich und sozial-kreativ - so fand Sr. Helga spürbar ihr Lebensglück, und setzte zugleich mit ihrer Tracht und ihrem Lebensstil ein mutiges Signal im deutlichen „Anderssein“: als Zeichen für Gottes Liebe, in der praktischen Parteinahme für Würde, Einzigartigkeit, Großartigkeit jedes Menschen auch am gesellschaftlichen Rand. Dies alles machte Sr. Helga zu einer so beeindruckenden, inspirierenden Gesprächspartnerin auch für neue Kolleg:innen – und ihr Erbe wirkt im Diakoniewerk in unseren „anderen“ Grundhaltungen, unserem besonderen Zugang zum Menschen fort.

Rainer Wettreck, Vorstand Diakoniewerk
Diakoniewerk und Diakonissen

Schon bald nach der Gründung des Diakoniewerks im Jahr 1874 wurden Diakonissen für die Pflege und Betreuung der Hilfesuchenden angeworben und ausgebildet. Diakonissen in der traditionellen Form der Mutterhausdiakonie sind unverheiratete Frauen, die ihr Leben einer evangelischen Glaubens- und Arbeitsgemeinschaft widmen. Sie tragen eine einheitliche Tracht, ihr Stammsitz ist ein sogenanntes Mutterhaus. Statt eines eigenen Einkommens werden sie vom Mutterhaus in allen Lebenslagen bis zum Tod versorgt und bekommen ein kleines Taschengeld für persönliche Bedürfnisse. Erste Diakonissen wurden ab den späten 1830er Jahren in Deutschland aktiv. Die ersten beiden österreichischen Diakonissen begannen ihre soziale Arbeit in Gallneukirchen 1877 nach einer dreijährigen Ausbildung in Stuttgart. Vielen Frauen im 19. und 20. Jahrhundert wurde – jenseits von Ehe und Familie – mit diesem Modell innovativ und emanzipatorisch eine Berufsausbildung und Berufsausübung ermöglicht. Diese Gelegenheit gab es sonst kaum. Bis in die 1980er- und 1990er-Jahre waren Diakonissen in allen Arbeitsfeldern des Diakoniewerks sowohl in leitender Verantwortung als auch an der Basis tätig. 

Das Engagement der Diakonissen und ihr professionelles Wirken hat maßgeblich zur Entwicklung des Diakoniewerks beigetragen: vom diakonischen „Verein für Innere Mission“ hin zu einem anerkannten und innovativen Unternehmen mit vielen verschiedenen Arbeitsfeldern im Sozial- und Gesundheitsbereich in Österreich und im internationalen Umfeld. Ihr Wirken ist daher bis heute in vielfältiger Weise lebendig und spürbar. 

Nach 150 Jahren präsentiert sich das Diakoniewerk dankbar als modernes und innovatives diakonisches Sozialunternehmen mit einem besonders einladenden Profil. 3.800 engagierte, vielfältige Mitarbeiter:innen erbringen an mehr als 200 Standorten eine Fülle von Dienstleistungen für unterschiedliche Lebenssituationen. Das Diakoniewerk ist Mitglied der Diakonie Österreich. 

Die Hingabe, mit der sich Schwester Helga Sikora für das Wohl der dem Diakoniewerk anvertrauten Menschen eingesetzt hat, war beispielgebend für den Einsatz der Diakonissen. Von Gallneukirchen aus haben Diakonissen in ganz Österreich gewirkt. In der Diakonissentradition verbinden sich Handeln aus dem Glauben, Emanzipation von Frauen und die Professionalisierung der Pflege und Sozialen Arbeit. Das prägt diakonisches Handeln bis heute und wird es auch in Zukunft tun.

Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie Österreich

Verabschiedung 

Alle, die sich von Oberin Schwester Helga Sikora verabschieden möchten, können dies am 19. Juni 2024 ab 10.30 Uhr in der Evangelischen Christuskirche Gallneukirchen tun. Die Beerdigung findet danach auf dem Evangelischen Friedhof statt. Am Vorabend (18. Juni 2024) um 18 Uhr findet die Totenwache statt, ebenso in der Evangelischen Christuskirche Gallneukirchen.