Diakonie zum Welt-Alzheimertag: Langzeitpflege muss Wahlkampfthema Nr. 1 sein
- Pressemitteilung
Die Diakonie fordert einmal mehr, die Langzeitpflege ins Zentrum politischer Debatten zu stellen: "Pflege und Betreuung ist kein politisches Randthema. Es betriff 1,5 Mio Menschen in Österreich, entweder weil sie selber Pflege brauchen oder weil sie pflegende Angehörige sind", so Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser anlässlich des bevorstehenden Welt-Alzheimertags. Laut einer Umfrage, die das Market-Institut für die Diakonie durchgeführt hat, meint nur jede:r Fünfte (20%), dass Menschen mit Pflegebedarf derzeit ausreichend Unterstützung bekommen. Menschen, die dringend Hilfe zu Hause oder einen Pflegeheim-Platz brauchen, würden in einigen Regionen jetzt schon auf Wartelisten verwiesen, so Moser: "Diese unsichere Situation bereitet Menschen im Alter massive Sorgen und ist eine große Belastung für Familien. Eine künftige Bundesregierung muss für Entlastung sorgen."
Eine grundlegende Reform des Pflegesystems sei notwendig, in deren Zentrum die langfristige Sicherstellung und Weiterentwicklung von Unterstützungsangeboten stehen müssten. "Unser Pflegesystem ist versäult. Entweder Pflegeheim oder mobile Hauskrankenpflege. Das ist aber nicht immer das, was Betroffene brauchen. Manche würden mehrstündige Betreuung unter Tags brauchen. Anderen würde Betreuung nur in der Nacht helfen. Kurzzeitpflege ist ein großes Thema, auch Besuchsdienste und Tageszentren. Viele dieser Angebote gibt es bereits, aber nicht überall und wenn es sie gibt, sind sie oft nicht leistbar. Für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen ist die Frage nach einem Unterstützungsangebot, das ihren Bedürfnissen entspricht, das Um und Auf."
In Österreich leben rund 150.000 Menschen mit Demenz. 2050 werden es voraussichtlich doppelt so viele sein. „Das ist eine große Gruppe. Umso schockierender ist es, dass Menschen, die mit Demenz leben, noch immer stigmatisiert werden“, meint Moser. „Es ist höchste Zeit, sich von Vorurteilen zu verabschieden und den Menschen hinter der Erkrankung zu sehen und echte Teilhabe ermöglichen.
Lebensqualität ins Zentrum stellen
„Nur wenn wir Menschen mit Demenz ernst nehmen, statt sie zu entmündigen, kann das tiefschwarze Stigma verschwinden,“ so Teun Toebes, Demenz-Aktivist und Filmemacher aus Holland. „Sobald wir eine echte Verbindung mit ihnen herstellen, verschwindet die Demenz und der Mensch kommt zum Vorschein.“ Der Pflegewissenschafter, der als Studierender drei Jahre im Pflegeheim gelebt und darüber ein Buch geschrieben hat, präsentiert am 19.9. in Linz seinen Film „Human forever“ erstmals in Österreich. Am 20.9. spricht er am Demenz-Fachtag des Diakoniewerks über seine Vision von einem kulturellen Wandel, der sich anstatt auf Sicherheit und Kontrolle auf Lebensqualität, Glück und Rechte konzentriert.
Teun Toebes zeigt in seinem Dokumentarfilm anhand von Beispielen aus vier Ländern, dass es weniger die Art der Versorgung ist, die die Lebensqualität ausmacht, als vielmehr die Qualität des Miteinanders.
Wie kann eine für Demenz offene Gesellschaft erreicht werden?
Damit die Gesellschaft offen wird für Menschen mit Demenz, braucht es Information, Bewusstsein und gute Beispiele. So organisierten die Tagesbetreuungen des Diakoniewerks für Menschen mit Demenz einen Ausflug zum beliebten Ruperti-Kirtag in Salzburg. Für die Diakonie-Direktorin sind „Feste sind ein guter Gradmesser für ein gelingendes Miteinander: Wer darf mit am Tisch sitzen? Und wer bleibt fern, fühlt sich nicht mehr wollkommen? Deshalb fördern wir in der Diakonie das Miteinander auf vielen Ebenen. Seien es Besuche von Schulkindern oder Firmenteams bei uns in Pflegheimen oder Ausflüge in Museen oder zu Festen.“
„Unser zentrales Anliegen ist eine für alle offene Gesellschaft,“ sagt Moser. Um eine für Demenz offene Gesellschaft zu fördern, gibt es viele Wege: Die Schulung von Mitarbeiter:innen im Handel oder im öffentlichen Verkehr, Besuchsdienste zum gemeinsamen Einkaufen oder Spazieren. "In der österreichischen Demenzstrategie finden sich dazu viele wichtige Vorgaben. Es ist nun an der Zeit, ernst zu machen mit der Umsetzung und auf Basis der Pilotprojekte den gesellschaftlichen Wandel entschlossen voranzutreiben. Denn die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Demenz geht uns schon längt alle an", so die Diakonie-Direktorin abschließend.
Interview-Service für Redaktionen
Teun Toebes ist auf Einladung der Diakonie in Österreich und steht am 20. September (nachmittags und abends) für Interviews zur Verfügung.
Der Alltag mit Demenz ist fordernd. Betroffene brauchen Akzeptanz in ihrem Umfeld und Förderung ihrer Selbständigkeit. Angehörige brauchen Entlastung. Sie brauchen Beratung und leistbare Unterstützung.
Für ein gutes Leben mit Demenz:
Onlineratgeber Demenz