Niemand ist sprachlos!

  • Pressemitteilung
10. Oktober 2013

Diakonie und VERBUND fordern: Neue Regierung muss Recht auf Kommunikation für Menschen mit Behinderung umsetzen



„63.000 Menschen mit Beeinträchtigungen in ihrer Lautsprache sind nicht sprachlos - sie werden vielmehr sprachlos gemacht, weil ihnen die notwendige Unterstützung für ein selbstbestimmtes Leben seitens der Politik verweigert wird," macht Michael Chalupka, Direktor der Diakonie Österreich, auf Lücken im österreichischen Sozialwesen aufmerksam. „Kommunikations-unterstützende Hilfsmittel, wie etwa eine Mundmaus, oder elektronische Sprachausgabegeräte sind schwierig zu bekommen und werden oft nur zum Teil finanziert. Zum Vergleich: in unserer Vorstellung wäre es unmöglich, jemandem einen Rollstuhl zu verweigern – genauso kompromisslos müssen wir bei anderen Hilfsmitteln sein!"



Um elektronische Hilfsmittel beziehen zu können, sind langwierige Wege notwendig, denn zuständig sind neben den Kranken-, Pensions- und Unfallkassen auch die Bundesländer sowie das Bundessozialamt. Darüber hinaus gibt es auch private Träger, die mitfinanzieren. „Dass Betroffene von Stelle zu Stelle geschickt werden, und sich niemand wirklich zuständig fühlt, ist nicht hinnehmbar. Die kommende Bundesregierung muss hier Verantwortung übernehmen, und dieses Wirr-Warr an Zuständigkeiten, das nur zu Lasten von Betroffenen geht, auflösen," so Chalupka.



So wünscht sich auch Kathrin Lemler, dass es künftig nichts Besonderes mehr ist, dass nicht-sprechende Kinder schon früh eine Form der Verständigung finden. Sie ist selbst Betroffene, und seit ihrer Geburt auf Assistierende Technologien und Unterstützte Kommunikation angewiesen. „Nach all meinen bisherigen Erfahrungen ist die Unterstützte Kommunikation letztendlich der Ausgangspunkt dafür, dass ich über meinen Alltag unabhängig und selbstbestimmt verfügen kann," betont Lemler. Anders wäre es für sie nicht möglich, eine Beschäftigung an der Universität Köln auszuüben.



Diakonie und Verbund unterstützen Betroffene



Seit 2009 bietet die Diakonie mit Unterstützung des Stromanbieters VERBUND Soforthilfe für Betroffene über einen Fonds. Das Unternehmen hilft also mit, die derzeitige sozialpolitische Lücke zu schließen. „Insgesamt konnten bisher rund 5.300 Menschen beraten werden und rund 330 Menschen mit Behinderung in der Anschaffung von Kommunikationshilfen direkt unterstützt werden. Die unterstützten Personen können somit selbstbestimmt ihr Leben führen, sich verständigen oder auch arbeiten. Das hilft den Betroffenen, ihren Familien aber auch der Gesellschaft", erklärt Beate McGinn vom Stromanbieter VERBUND.



Neue Regierung muss UNO-Empfehlungen nachkommen



Österreich hat sich 2008 verpflichtet die „UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" umzusetzen. Anfang September 2013 hat die UNO ihre erste Staatenprüfung abgeschlossen, und Österreich einige Empfehlungen auferlegt. „Die Vereinten Nationen haben in diesen Rahmen erkannt, dass die föderale Struktur in Österreich oft ein Hindernis sein kann, und schlagen daher einen übergreifenden gesetzlichen Rahmen für die Behindertenpolitik vor," so Chalupka.



Auf die Versorgung mit Hilfsmittel umgelegt, bedeutet dies laut Diakonie die Notwendigkeit



-       einer einheitliche Anlaufstelle für Betroffene und Angehörige, sowie eine institutionalisierte Zusammenarbeit aller Kostenträger im Hilfsmittelbereich



-       von Anpassungen bzw. regelmäßigen „Updates" in den Hilfsmittelkatalogen der Sozialversicherungsträger, damit auch neuere und elektronische Produkte erfasst sind (derzeit liegt der Fokus auf gängige Hilfsmittel wie Bandagen, Prothesen, etc.)



-       einer ausreichenden Finanzierung für Geräte, aber auch ausreichend Finanzierung für Beratungen von Betroffenen.



„Die Bundesregierung hat diese Schritte zum Teil auch schon im Nationalen Aktionsplan Behinderung festgeschrieben – der ambitionierte Zeitplan muss jetzt nur noch eingehalten werden. Wir fordern daher die kommende Regierung auf, dieses Bekenntnis zu erneuern, und rasch mit der Umsetzung zu beginnen, so dass Menschen nicht länger sprachlos gemacht werden," so Chalupka abschließend.