Diakonie zu Regierungsprogramm: Pflege, Bildung und Europa – Notwendige Reformen bleiben aus

  • Pressemitteilung
16. Dezember 2013

Chalupka: Wichtige Schritte bei Entwicklungszusammenarbeit, einheitlicher Anlaufstelle für Hilfsmittel, Betreuung für unter 3jährige und Gemeinnützigkeit erreicht



„Den Herausforderungen in den Bereichen Pflege, Bildung und Europa kann mit kosmetischen Korrekturen nicht beigekommen werden", legt Michael Chalupka, Direktor der Diakonie Österreich, anlässlich der heutigen Angelobung der Bundesregierung dar. „Das Regierungsprogramm ist kein großer Wurf, auch wenn viele wichtige Einzelmaßnahmen enthalten sind. Für die Zukunftsbereiche Pflege, Bildung und Europa wurde jedoch verabsäumt, wegweisende Reformen und Arbeitsschritte zu vereinbaren."



Pflege und Betreuung



„Die Abgeltung des demographischen Mehraufwandes beim Pflegegeld sowie die Verlängerung des Pflegefonds dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass keine große Reform bei der Pflege definiert wird", so Chalupka. Vor allem der Widerspruch zwischen Erhaltung der informell Pflegenden als wichtige Ressource in der Pflege und den gleichzeitig ausbleibenden Unterstützungsmaßnahmen für Angehörige müsste ausgeglichen werden, um Reformwillen zu signalisieren. „Positiv ist aber sicher die Demenzstrategie, die Harmonisierung der Sozial- und Gesundheitsberufe sowie der Schwerpunkt auf Tagesbetreuung zu werten", so Chalupka.



In diesem Zusammenhang wird auch mehrmals der Ausbau von sozialen Dienstleistungen erwähnt – wie das aber finanziert werden soll, ist offen. „Gerade soziale Dienstleistungen würden dringend notwendiges Wachstum generieren, und dies nicht nur, wie im Regierungsprogramm angesprochen, im Bereich der Frauenbeschäftigung. Vor allem im ländlichen Bereich können soziale Dienstleistungen helfen, die wirtschaftliche Situation zu stabilisieren und nachhaltig Wachstum zu generieren."



Als besonders wichtige Maßnahme gilt der Diakonie die Einrichtung einer zentralen Hilfsmittelstelle für Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung. „Diese bereits im NAP Behinderung angesprochene Maßnahme wird jedenfalls dazu beitragen, die Lebensqualität von Betroffenen zu erhöhen, werden sie doch nicht mehr von der einen zur anderen Stelle geschickt", ist sich Chalupka sicher. „Zusätzlich sind die neuen Ansätze für gemeinnützige Organisationen positiv zu werten. Diese müssen nun auch mit Leben erfüllt werden, um den Mehrwert, den nicht-gewinnorientierte Organisationen für die Bevölkerung haben, voll entfalten zu können."



Bildung, Kinder und Jugendliche



„Im Bereich der Bildung fällt der Diakonie sofort auf – Inklusion ist der neuen Bundesregierung keine Leitlinie", bemerkt Chalupka. „Beim Kindergarten mit keinem einzigen Wort erwähnt, finden sich Kinder mit Behinderungen im Schulsystem auch nur in Schulversuchen wieder. Die Orientierung der SPF-Quote am tatsächlichen Bedarf ist sehr wünschenswert, steht aber, wie so vieles, unter dem Finanzierungsvorbehalt."



Aber nicht nur Kinder mit Behinderung fehlen in der Bildungspolitik, auch Kinder mit Migrationshintergrund werden gesondert behandelt. „Sprachstandsfeststellungen und ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr nur für jene Kinder, die Deutsch nicht beherrschen, zeigen einmal mehr, dass Integration in Österreich fast ausschließlich über den Erwerb der deutschen Sprache definiert wird", so Chalupka. „Was mit Stützlehrern und Ganztagesschulen leicht erreicht werden könnte, wird so in die Eigen-Verantwortung verschoben."



Positiv zu sehen ist jedenfalls der Ausbau der Betreuungseinrichtungen für unter 3jährige und die Stärkung der so genannten frühen Hilfen. Auch der starke Fokus auf Kinder- und Jugendgesundheit ist in diesem Zusammenhang zu nennen.



Europa, Integration und Asyl



„Die schrittweise Anhebung der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit sowie die weitere Dotierung des Katastrophenfonds sind ein sehr positives Signal", zeigt sich Chalupka erfreut. „Diese Weltoffenheit findet dann aber auch ein Ende, wenn es um Integration oder Asyl geht. Vor allem das fehlende Bekenntnis, in Europa mit Blick auf Lampedusa eine gemeinsame Asylpolitik vehement einzufordern, schmerzt die Diakonie." Im Bereich des Arbeitsmarktzuganges finden sich ebensowenig Lösungen für AsylwerberInnen. „Sie sind nach wie vor zum Nichtstun verurteilt und auch bei anderen Menschen ohne Arbeitsmarktzugang wird gemauert, statt sich zu öffnen. Für kommende EU-Mitgliedsstaaten wie etwa dem Balkan sollen wieder Sonderregelungen für den Arbeitsmarktzugang gelten." Gerade hier bräuchte es aber eine offene Migrationspolitik, um den demographischen Entwicklungen der nächsten Jahre Rechnung zu tragen.



Im Bereich der Europapolitik steht das klare Bekenntnis zum europäischen Fiskalpakt im krassen Widerspruch mit den im nächsten Atemzug genannten Zukunftsinvestitionen. „Wer glaubt, durch Sparen Wachstum erzeugen zu können, der irrt. Europa braucht mutige Investitionen, wie das Social Investment Package der Europäischen Kommission vorschlagen würde. Davon findet sich aber kein Wort", so Chalupka.