Wenn Jugendliche verzweifelt und Eltern überfordert sind
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Die Situation war immer kritisch. So wie bei Ella (Name geändert), dem 14-jährigen Mädchen, das sich ihrer Klassenlehrerin anvertraut und damit den Stein ins Rollen gebracht hat. „Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Ich hab‘ Angst, nach Hause zu gehen.“
Ellas Leistungen sind im letzten Jahr massiv abgefallen. Sie war oft nicht in der Schule, aus Angst vor dem Versagen oder auch, weil sie im Krankenhaus war. Ritzen, Alkoholkonsum, Schulverweigerung. Die Lehrerin hat die Not des Mädchens erkannt und die Kinder- und Jugendhilfe informiert. Die Sozialarbeiterin der Behörde hat in der Krisenstelle Wàki, einer Einrichtung des Diakonie Zentrums Spattstraße, angerufen und einen freien Platz gefunden. Im Gespräch erzählt Ella: „Ich trau mich nicht mehr nach Hause, meine Mutter schlägt mir mit der Hand ins Gesicht. Mein Stiefvater beschimpft mich. Er gibt mir die Schuld daran, dass es meiner Mutter schlecht geht. Er mag sowieso nur seine eigene Tochter, ich bin für ihn nur lästig. Wenn er mich nicht beschimpft, ignoriert er mich.“
"Im Wàki geht es zuerst einmal darum, Jugendlichen einen sicheren Ort zu bieten und mit der Distanz zur Familie Beruhigung in die angespannte Familiensituation zu bringen. Wenn wir Jugendliche aufnehmen, stellen wir rasch Kontakt mit den Eltern her. Nicht selten sind diese erleichtert, dass ihr Kind in Sicherheit ist.“
Auch zur Mutter von Ella gelingt es den Mitarbeiter:innen der Krisenstelle rasch, eine vertrauensvolle Beziehung herzustellen. Die Mutter erzählt von ihren Sorgen und ihre Überforderung wird rasch spürbar: „Es geht nicht mehr. Ich kann nicht mehr.“ Seit dem 4. Lebensjahr von Ella ist die Mutter allein für ihre Tochter verantwortlich, weil der Vater verstorben war. Ihr neuer Partner macht die Situation nicht leichter. Es gibt häufig Streit mit ihm und die Auseinandersetzungen werden immer heftiger.
Im Wàki finden Eltern erfahrene Ansprechpersonen. Elternberatung und Erziehungsberatung sowie psychologische Begleitung entlasten und unterstützen die Familien.
Wenn Jugendliche und Eltern ihre Sorgen erst einmal abladen konnten, geht es darum, den Blick wieder auf das zu richten, was gut gelingt und neue Perspektiven zu entwickeln. Krisenarbeit bedeutet in dieser Phase, in intensiven Gesprächen mit allen Beteiligten eine gute Lösung zu finden und ein unterstützendes Netzwerk zu aktivieren bzw. aufzubauen Jugendliche, Eltern, Schule, Behörde …
Es ist nicht immer möglich, die Situation so weit zu entspannen, dass Jugendliche wieder zu Hause wohnen können. Dann geht es darum, mit der Kinder- und Jugendhilfe einen guten Platz für die Jugendlichen zu finden, sei es innerhalb der Herkunftsfamilie oder auch in einer Sozialpädagogischen Wohngruppe.
Für Ella hat sich nach den vier Wochen im Wàki schon vieles entspannt. Ihre Ritz-Wunden an den Unterarmen wurden gut versorgt und auch ihre seelischen Verletzungen haben begonnen, zu heilen. „Ihr habt es geschafft, dass ich wieder mit meiner Mama reden kann, danke,“ sagt Ella erleichtert. Soweit, dass Ella wieder ohne Angst nach Hause zurückkehren kann, ist es aber noch nicht. Daher wird jetzt nach einer passenden Wohngruppe für Ella gesucht. „Auf jeden Fall besuch ich Euch dann“, plant Ella hoffnungsvoll und macht ein Selfie von sich und Gerhard, der gerade dabei ist, die nächste Anfrage am Telefon entgegenzunehmen.