Stützpunktwohnen - die jungen Leute von nebenan
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„Die Katzen sind sehr schmusebedürftig” warnt Denise, bevor sie die Tür zu ihrer Wohnung öffnet. Es könne also gut sein, dass sich auf der schwarzen Hose gleich ein paar weiße Katzenhaare finden. Doch das nimmt man gerne in Kauf, denn in der hellen Garçonnière in Salzburg spürt man gleich die Lebensfreude der jungen Frau. Bunte Wände, eine LED-Kette, die die Farben wechselt und der gemütliche Balkon zeigen: Hier wird gelebt. Sogar ziemlich gerne.
Dass Denise mit ihren zwei Katzen und den beiden Meerschweinchen ihr Leben selbstbestimmt gestaltet, ist im Stützpunktwohnen in der Lebenswelt Aigen selbstverständlich. Unterstützung erhalten die Bewohner:innen von Mitarbeiter:innen des Diakoniewerks nur da, wo sie wirklich nötig ist – zum Beispiel beim Einkaufen, Kochen oder im Haushalt.
Im Wohnprojekt Stützpunktwohnen leben Menschen mit Behinderung selbstständig und eigenverantwortlich in ihrer eigenen Wohnung. Dazu gehört ein eigener Mietvertrag ebenso wie sich morgens rechtzeitig auf den Weg zur Arbeit zu machen.
Ein Stockwerk höher
Noch ein Bewohner öffnet seine Tür. Wolfgang Krippl, seit sechs Jahren Mitarbeiter im Kulinarium Salzburg, lebt ein Stockwerk über Denise. Gerade freut er sich auf ein neues Bett, dass demnächst in seine Wohnung einziehen wird. Seine 33 Quadratmeter sind luftig und sehr aufgeräumt, durch die großen, westseitigen Balkontüren kündigt sich ein fantastischer Sonnenuntergang an. Sogar die Wäsche, die ordentlich auf dem Wäscheständer hängt, scheint die Abendsonne zu genießen. Wolfgang lebt wie Denise schon seit der Eröffnung 2017 im Wohnquartiers Lebenswelt Aigen. Seine erste eigene Wohnung gefällt ihm richtig gut, obwohl er am Anfang noch skeptisch war.
„Die Bewohner:innen sind alle unterschiedlich, manche brauchen mehr Hilfe beim Putzen oder Einkaufen und manche sind ganz selbstständig“, beschreibt Julia die insgesamt zwölf Menschen, für die das StüWo-Team in der Lebenswelt Aigen zuständig ist. Sie ist Diplom-Sozialbetreuerin und begleitet Denise, Wolfgang und die anderen bei Herausforderungen im Alltag.
Dafür sind Julia und ihre Kolleg:innen jeden Tag für einige Stunden vor Ort und „dadurch, dass jede:r seine:n Bezugsbetreuer:in hat, sind Termine auch 1:1 möglich, je nachdem, was individuell wichtig ist.“
Eine gewisse Zeit pro Woche (die Spanne reicht von drei bis zehn Stunden) ist deshalb für Trainings bestimmt. Dabei zählt das Einkaufstraining – neben Kochen und Putzen – zu den Inhalten, die gemeinsam geübt werden. Die Termine werden individuell vereinbart, die Teilnahme an Gruppenaktivitäten wie Ausflügen zählt ebenfalls als Training. Die Vorschläge, was am Wochenende unternommen oder gemeinsam gekocht wird, kommen von den Bewohner:innen.
Wer mag, kommt mittwochs zum Gruppenkochen
Ein guter Tag, um zu erleben, was das Stützpunktwohnen ausmacht, ist der Mittwoch. Denn an diesem Wochentag wird ab 17:30 Uhr im Gemeinschaftsraum gekocht und weil es diesmal Fleischlaberl mit Kartoffelpüree gibt, füllt sich der Raum recht schnell.
Ob die Bewohner:innen mitmachen, entscheiden sie selbst und heute ist diese Entscheidung offenbar nicht schwergefallen. Insgesamt sechs Bewohner:innen schauen vorbei und teilen sich die Arbeit rasch auf. Wolfgang schält im Rekordtempo Kartoffeln, das kann er aus dem Kulinarium. Denise kümmert sich um die Fleischlaiberlmasse, Heinrich schneidet Kartoffeln in Würfel. Allerdings fehlt eine wichtige Zutat im Rezept (da sind sich alle einig): Zwiebel! Zum Glück finden sich im Kühlschrank der großzügigen Gemeinschaftsküche noch welche – Glück gehabt.
Man fühlt sich wohl im Stützpunkt, plaudert, findet den Begriff „Pressearbeiterin” recht passend und wird sogar zum Essen eingeladen. Die jungen Nachbar:innen sind vor allem eins: richtig sympathisch. Und die Bemerkung, dass eine große Dose Energydrink abends nicht unbedingt sinnvoll ist? Die spart man sich. Denn genau das bedeutet Selbstverantwortung.