Leben ohne Zukunft: Eine Flucht aus der Ukraine
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„Meine Familie und ich lebten vor Beginn des Krieges in Kiew. Ich habe Kulturanthropologie und Ethnologie studiert und war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität. Meine Töchter sind in Kiew zur Schule gegangen, mein Mann unterrichtete an der Polizeiakademie“, beginnt Lesia. Obwohl sie erst seit knapp einem Jahr in Österreich ist, spricht sie schon sehr gut deutsch. Sie besucht schon einen Fortgeschrittenenkurs, erzählt sie. An den Beginn des Krieges erinnert sie sich noch gut: „Unsere Wohnung liegt im 16. Stock. Ich habe den Luftangriff auf den Flughafen gesehen und wir hörten die ganze Nacht über Bombeneinschläge. Die Angst war sehr groß, vor allem um meine Töchter.“ Für sie und ihren Mann war schnell klar, dass sie hier nicht bleiben können: „Wir sind zunächst zu meiner Mutter, sie lebt in einer kleineren Stadt nahe Kiew. Es herrschte Chaos, alle wollten weg und wir benötigten für die Fahrt über 10 Stunden.“ Ihr Mann blieb in Kiew. Lesia und ihre beiden Töchter haben den langen Weg nach Österreich auf sich genommen: „Wir sind über mehrere Stationen nach Gallneukirchen gekommen. Die Leute unterwegs waren alle sehr hilfsbereit, gaben uns Essen und einen Platz zum Schlafen. Meine Cousine hatte einen Bekannten in Linz, der schlussendlich die Unterkunft über das Diakoniewerk organisierte.“
Nach vorne und zurück blicken
Lesia erzählt, dass ihre Familie sehr groß ist und viele davon in der Ukraine geblieben sind, vor allem jene, die Söhne über 18 Jahre haben. Die Situation dort ist schwierig, vor allem der Winter war hart, die Menschen hatten oft nur zwei Stunden am Tag Strom. Dennoch versuche sie so gut es geht zu helfen. Gleichzeitig will sie in Österreich anzukommen: „Ich bin gut vernetzt und habe viele ukrainische Bekannte in Österreich. Über das Diakoniewerk wurden auch einige Treffen für Vertriebene organisiert. Gerade zu Beginn haben uns auch unsere österreichischen Bekannten unterstützt. Die Menschen sind sehr bemüht und wollen für Ablenkung sorgen. Aber das ist nicht einfach, ständig bekommt man Kriegsnachrichten aufs Handy und man ist gedanklich bei den Menschen in der Ukraine.“
Ein Blick auf ein ungewisses Morgen
Wie es für Lesia und ihre beiden Töchter weitergeht, ist unklar. Ihre Töchter gehen in Gallneukirchen zur Schule, nachmittags besuchen sie dann die Ukrainische-Online-Schule. Ein doppelgleisiges Leben, aber Lesia möchte vorbereitet sein. Die Ungewissheit was morgen bringt, macht ihr Sorgen: „Ich will einfach nur nach Hause. Ich hatte ein gutes Leben in der Ukraine: Eine Wohnung, einen guten Beruf, ein Haus mit meinen Eltern, die Kinder lernten in einer hervorragenden Schule. Ich vermisse mein Leben. Das Schwierigste ist, ohne Zukunft zu leben. Wir wissen nicht, was morgen oder in ein paar Monaten ist, ob wir hierbleiben oder wieder zurückgehen können. Diese Ungewissheit ist zermürbend.“