Die historische Reise des Diakoniewerks - Im Gespräch mit Rubicom
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Diakoniewerks-Geschichte aus einem anderen Blickwinkel...
Mit den Gründer:innen und Gesellschafter:innen Verena Hahn-Oberthaler und Gerhard Obermüller haben wir darüber gesprochen, was sie an der Geschichte des Diakoniewerks fasziniert hat, welche Personen für sie besonders prägend waren und was an der Geschichte des Diakoniewerks anders ist.
Die Lebensläufe vieler Diakonissen sind ungewöhnlich und strahlen aus. Frauen aus allen Gesellschaftsschichten stellten sich in den Dienst des Diakoniewerks. Sie konnten dabei auch einen Grad an Selbstwirksamkeit und Selbstständigkeit erreichen und durch Eigeninitiative in vielem über das übliche Frauenbild der jeweiligen Zeit hinausgehen. Heute tritt etwa Cecile Schwarz, die Frau von Gründer Ludwig Schwarz, als prägende Gestalt der Gründungsjahre in der Forschung mehr in den Mittelpunkt. Faszinierend etwa fanden wir die Diakonissen Elise Lehner und Elisabeth Obermeir (beide aus Thening) die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nach einer dreijährigen Ausbildung in Stuttgart, das Diakoniewerk mit auf den Weg brachten. Vom Glauben getragen, aber methodisch an neuen Formen der sozialen Arbeit und Betreuung interessiert, haben sie früh einen Unterschied gemacht.
Uns hat fasziniert, dass Glaube im 19. Jahrhundert nicht einfach nur bedeutet hat, sich in Kontemplation zu versenken, sondern von Einzelnen als ein innerer Auftrag verstanden wurde, die Welt zu verändern und sich für hilfsbedürftige Mitmenschen einzusetzen.
Der soziale Auftrag des Diakoniewerks ist einzigartig, aus den Aufgabenstellungen einer selbstgewählten „innere Mission“ werden im Laufe der Zeit innovative Ideen, die zu ihrer Verwirklichung und Umsetzung aber die organisatorischen Strukturen eines Unternehmens erfordern. Das Diakoniewerk hat schon früh aus der reinen Wohltätigkeit in diese Struktur und Organisation eines Unternehmens gefunden und so die Grundlagen für sein Engagement für die Zukunft gesichert.
Das Diakoniewerk stand von Beginn an der Spitze sozialer Innovation. Vieles was dabei geschaffen wurde, machte Schule. Das bahnbrechende Engagement für Menschen mit Beeinträchtigung war vom Grundgedanken her bereits „inklusiv“ orientiert, selbst als es diesen Begriff so nicht gab. Dazu gehört vor allem, die konsequente Orientierung an den Ressourcen, Begabungen und Stärken von Menschen mit Beeinträchtigung. Mit diesem Ansatz hat das Diakoniewerk Geschichte geschrieben.
Ein Buch über die Lebensläufe verschiedener Diakonissen war eine sehr schnelle und effiziente Einführung in die Geschichte des Diakoniewerks. In Biographien blitzt vieles auf, Persönliches und Organisatorisches sowie die Rahmenbedingungen, denen die Schwestern unterworfen waren. Von dort weg haben wir in einem detaillierten Recherche-Protokoll alle Inhalte verdichtet, die wir aus der Literatur und aus Dokumenten schöpfen konnten. In kurzer Zeit fanden wir so auf eine Meta-Ebene, die uns erlaubte, historische Entwicklungslinien in ihrem Gesamtzusammenhang zu sehen. Auch hier zeigte sich der Wert lebensgeschichtlicher Interviews, wären sie nicht geführt worden, wäre vieles an historischem Wissen verloren gegangen.
Die NS-Geschichte des Diakoniewerks ist komplex und berührend. Dass man am Höhepunkt der Euthanasie-Verbrechen viele der anvertrauten Menschen nicht schützen konnte, hat einzelnen Diakonissen nach 1945 schwer zu schaffen gemacht. Auf dem Boden dieser Betroffenheit ist eine Gedenkkultur entstanden, die bis heute fortwirkt. Dass das Diakoniewerk die eigenen Handlungen während der NS-Zeit kritisch hinterfragt, zeigt eine selbstreflexive Organisation, die es versteht, Erkenntnisse aus der Geschichte in die Zukunft zu tragen.
Das Diakoniewerk ist ein glaubwürdiger Pionier der sozialen Arbeit. Maßnahmen aus der Gegenwart zeigen, dass das Unternehmen die Fähigkeit besitzt, mit der Zeit zu gehen und die Autonomie seiner Klient:innen optimal zu fördern. Wir wünschen dem Diakoniewerk, dass es mit der Schubkraft seiner beeindruckenden Geschichte weiterhin so erfolgreich für unsere Gesellschaft tätig ist.