Flucht und Migration: Zugang zum Arbeitsmarkt in Österreich
- Kommentar
Warum sollte eine Asylwerberin aus Afghanistan, die es geschafft hat, eine Beschäftigungsbewilligung vom AMS zu erhalten, schwerer Zugang zum Arbeitsmarkt haben, als eine Ukrainerin?
Zwei Frauen auf der Flucht. Beide leben in der staatlichen Grundversorgung. Ein Unterstützungssystem, das eigentlich dafür eingerichtet ist, Menschen, die in Österreich um Asyl ansuchen, während ihres Asylverfahrens ein Dach über dem Kopf, eine Krankenversicherung und ein bisschen Essen zu bieten. In Grundversorgung leben heißt also, eine Basisversorgung zu haben, die noch viel geringer ist als die Sozialhilfe. Es ist eine Notlösung. Und die Zeitdauer für diese Notlösung sollte so kurz wie nötig sein. Für alle.
Und dann noch das Problem mit dem Zuverdienst: Wer mehr als 110 Euro zum geringen Grundversorgungs-Taschengeld dazu verdient, verliert den Wohnplatz in der Unterkunft.
In Grundversorgung leben heißt also, eine Basisversorgung zu haben, die noch viel geringer ist als die Sozialhilfe. Es ist eine Notlösung. Und die Zeitdauer für diese Notlösung sollte so kurz wie nötig sein. Für alle.
Ukraine-Vertriebene im System „Grundversorgung“
Als im Frühjahr 2022 tausende Ukrainer:innen in Österreich ankamen, war klar, dass sie fürs Erste in Grundversorgungsquartieren untergebracht werden mussten, weil es keine Integrations-Wohnheime gibt. Die Ankunft der Ukrainer:innen macht ein System sichtbar, das auf die unterschiedlichen Voraussetzungen der untergebrachten Menschen (z.B. ob jemand Zugang zum Arbeitsmarkt hat, oder nicht; ob jemand besonderen Betreuungsbedarf hat, u.a.m.) nicht flexibel genug reagieren kann.
Drei Gruppen
So haben Ukrainer:innen – im Unterschied zu anderen – von Beginn an einen Schutzstatus und Zugang zum Arbeitsmarkt. Das aber spießt sich mit dieser Art der Unterbringung und Basisversorgung, für die Mittellosigkeit in jedem Fall Voraussetzung ist. Wer arbeitet ist nicht mehr mittellos.
In den Grundversorgungsquartieren leben derzeit also drei Gruppen mit jeweils verschiedenem "Status”:
- Asylsuchende, die auf den Ausgang ihres Verfahrens warten,
- Menschen, die bereits einen Schutz haben (Subsidiär Schutzberechtigte), aber keinen Anspruch auf Sozialhilfe
- und seit Kriegsausbruch in der Ukraine im Februar 2022 auch noch die Ukraine- Vertriebenen.
Zuverdienstgrenze
Während Subsidiär Schutzberechtigte Zugang zum Arbeitsmarkt haben, brauchen Asylsuchende und Ukraine-Vertriebe dafür eine Beschäftigungsbewilligung. Ukrainer:innen bekommen diese unbürokratisch, Asylsuchende nur nach einem sogenannten „Ersatzkraftverfahren“, in dem geschaut wird, ob den Job nicht jemand anderer haben will. Das gelingt aber nur in Ausnahmefällen.
Das ist der Moment, wo die Geschichte seltsam wird: Ein neues Gutachten des Innenministeriums soll rechtfertigen, dass nur Ukrainer:innen mehr als die üblichen 110 Euro zur Grundversorgung dazu verdienen dürfen. Die anderen oben beschriebenen Gruppen nicht. Begründet wird diese Entscheidung mit dem jeweils unterschiedlichen Status. Dieser würde die Ungleichbehandlung rechtfertigen.
Das aktuelle System Grundversorgung braucht endlich eine grundlegende Reform.
Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt
Alle drei Gruppen haben einen Zugang zum Arbeitsmarkt - mit unterschiedlich hohen Hürden. Wenn sie alle Hürden gemeistert haben, dann dürfen sie eine Arbeit beginnen.
Es sollte im Interesse der Gesellschaft sein, jede:n, der oder die arbeiten und sich selbst erhalten kann und möchte, zu unterstützen. Arbeit über die Hintertür des „Unterstützungssystems“ Grundversorgung zu verunmöglichen, ist nicht besonders klug.
Ein vernünftiges Betreuungssystem
Ein vernünftiges Betreuungssystem würde Arbeitseinkommen fördern und nicht behindern, damit Menschen so früh wie möglich ohne Unterstützung auskommen können. Niemandem darf auf Dauer ein effektiver Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt werden. Das aktuelle System Grundversorgung braucht endlich eine grundlegende Reform.
Flucht und Integration
Es hat in Österreich Tradition, Menschen auf der Flucht Schutz und Hilfe zu gewähren. Die Diakonie steht in dieser Tradition. Sie unterstützt Menschen auf der Flucht und hilft bei der Integration.
Autor:innen
Mag. Christoph Riedl
Grundlagen & AdvocacySozialexperte Migration, Asyl, Integration, Menschenrechte