Josef Zotter zu Gast im Diakonie de La Tour Steiermark Podcast
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Josef Zotter über seine eigene Beziehung zur Menschlichkeit: „Die Maximierung der Menschlichkeit ist der größte Gewinn. Das ist seit fast 38 Jahren meine Firmenphilosophie. Wirtschaft wird oft als „Hardcore“ und ausnutzend gesehen – ich setze bewusst auf das Gegenteil. Denn am Ende geht es darum, Menschlichkeit zu maximieren und ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl zu fördern. Gerade in der heutigen Zeit ist das essenziell.“
…über sein Leben ohne Mobiltelefon: „Ich bin seit 8 bis 10 Jahren Handy-los, weil ich gemerkt habe, dass es mich nur stressen und ablenken würde. Mich kann man trotzdem erreichen, wenn es nötig ist. Das Handy ist nützlich in Notfällen, aber es ist kein Alltagsbegleiter. Die junge Generation wächst anders auf und kann inzwischen bewusst entscheiden, was sie vom Handy braucht und was nicht. Meine Tochter und ihre Freundinnen haben sich sogar selbst einen handyfreien Tag auferlegt, was eine tolle Entwicklung ist.“
…über das geänderte Handy-Nutzungsverhalten von Jugendlichen: „Vor ein paar Jahren sah man überall Jugendliche mit Handys, die ständig Fotos und Videos machten. Doch das hat sich verändert. Heute sind es oft die älteren Generationen, die ihr Handy zum Fotografieren nutzen, während junge Leute mehr genießen, kosten und miteinander reden. Bei uns im Schokoladentheater beobachten wir, dass die Besucher:innen wieder Plakate lesen und sich mehr auf das Erleben konzentrieren. Es ist eine positive Entwicklung, dass das ständige Fotografieren und Teilen weniger geworden ist und das Handy nicht mehr die Hauptrolle spielt.“
…über die Förderung von Talenten: „Die wichtigste Aufgabe von Lehrer:innen ist es, Talente zu erkennen und zu fördern – und gleichzeitig schwächere Schüler:innen gezielt zu unterstützen. Wer ein Talent hat, will gefordert werden, denn Unterforderung macht unglücklich. Wer Schwierigkeiten hat, braucht Hilfe, um sich weiterzuentwickeln. Doch durch Überregulierung bleibt heute oft zu wenig Zeit für diese individuelle Förderung. Dabei sind es genau diese gezielten Impulse, die unsere Gesellschaft voranbringen.“
…über seinen Qualitätsanspruch: „Wer nur für den Markt produziert und sich von Trends oder Preisdruck leiten lässt, landet oft in der Mittelmäßigkeit. Doch Mittelmäßigkeit bringt uns als Gesellschaft nicht weiter – es braucht Mut zum Risiko, um wirklich Geniales zu schaffen. In der Lebensmittelproduktion gilt für mich ein einfaches Prinzip: Ich stelle nur her, was ich selbst, meine Familie und mein Umfeld essen würden. Wenn es für uns gut genug ist, dann auch für andere. Denn echte Qualität entsteht nicht durch Sicherheitsdenken und Bürokratie, sondern durch Verantwortung und Leidenschaft.“
…über die Erfindung neuer Schokoladensorten: „Geschmäcker sind verschieden – der eine liebt Bitterstoffe, der andere braucht Zucker. Kakao fasziniert mich, weil er mit rund 700 Aromen das größte Aromenspektrum aller Nüsse und Früchte hat. Das ist wissenschaftlich belegt. Als ich das erfuhr, habe ich mich gefragt: Welche Aromen sind das? Von Nuss- über Zitrus- bis hin zu scharfen Aromen – Kakao enthält sie alle. Also experimentiere ich: Wenn Kakao bereits Zitrusnoten hat, kann ich sie mit Zitrone oder Yuzu verstärken. So entsteht Vielfalt – ob marzipanige, karamellige oder kräuterige Sorten, für jeden Geschmack ist etwas dabei.“
…über die Psychologie des Loslassens: Manchmal entstehen großartige neue Sorten, manchmal echte Bauchflecke. Das gehört zur Innovation dazu. Um mit gescheiterten Ideen und ausgemusterten Sorten umzugehen, habe ich den Ideenfriedhof geschaffen. Dort gibt es Grabsteine mit Schokoladensorten, die nicht mehr existieren, samt ihrer „Lebensdauer“ und dem Grund ihres Endes – ob sie einfach nicht geschmeckt haben oder trotz Erfolg aus dem Sortiment genommen wurden. Mittlerweile gibt es sogar einen Urnenfriedhof und bald eine Klagemauer. Denn Abschiednehmen ist wichtig. Menschen kommen zu mir und sagen: „Das war meine Lieblingssorte! Warum gibt es sie nicht mehr?“ Dann antworte ich: „Gehen Sie auf unseren Friedhof, verabschieden Sie sich – dann geht es Ihnen besser.“
…über gesundes Wirtschaften: „Wir haben ein natürliches Wachstum – wenn Geld da ist, wird es investiert. Ein Steuerberater sagte mir einmal: „Sieh dein Unternehmen wie eine Brieftasche – ist Geld drin, gib es aus, ist keins da, dann nicht.“ Ohne finanziellen Druck kann man wirklich innovative Entscheidungen treffen, auch wenn das Ergebnis ungewiss ist. Druck zwingt Unternehmen oft, nur für die Auslastung zu produzieren – eine ungünstige Situation. Die letzten 20 Jahre waren für uns hingegen erfolgreich: 240 Mitarbeiter:innen, stabiles Wachstum und meine Kinder arbeiten im Unternehmen. Ich bin sehr glücklich damit.“
…über die Zukunft der Menschlichkeit: „In den kommenden Jahren wird es wichtig sein, das Bewusstsein für echte Kommunikation und Verbindung zu pflegen. Durch soziale Medien und Blasenbildung sind viele Menschen abgedriftet, aber viele junge Leute erkennen das und versuchen aus diesen Blasen wieder rauszukommen. Der Mensch ist ein Gesellschaftswesen, will kommunizieren, will Freude erleben, will sich sinnlich betätigen. Dazu gehören Essen, Trinken, Schauen, Kunst, Hören, Musik, oder auch die Liebe. Das ist tief in uns verankert und wird nicht verschwinden.“
Die aktuelle Folge von „Menschlichkeit zum Mitnehmen“ ist auf Spotify und sämtlichen gängigen Podcast-Plattformen zu finden.