Schulanfang nicht leistbar - Arme Eltern, schlechte Chancen?

  • Pressemitteilung
23. August 2021
Diakonie fordert Reform der Schülerbeihilfe - und ruft zur Akuthilfe am Schulbeginn auf.

„74.000 Volksschulkinder und 75.000 Kinder in der Unterstufe leben in einkommensarmen Haushalten", warnt der Sozialexperte der Diakonie Österreich, Martin Schenk, vor schlechten Startbedingungen für viele Kinder am Schulanfang. "Eltern klagen über die oft nicht mehr leistbaren Beiträge, die ihnen zu Schulbeginn abverlangt werden": Schultasche, Sportbeutel, Hefte, Stifte, Malfarben und Handarbeitskoffer... - schon ein einfaches Startparket für die Schule kann 100 bis 300 Euro kosten.

Hinzu kommen noch zusätzliche Kosten. Je nach Schultyp und Schulstufe müssen zum Beispiel Kopierkosten, Milchgeld oder auch Projekt- und Wandertage sowie Elternvereinsbeiträge finanziert werden. All das macht laut letzter Schulkostenstudie zusammengerechnet 855 Euro Gesamtausgaben pro Schulkind aus.

27 Prozent aller Eltern würden für ihr Kind gern Nachhilfe bekommen, können sich diese aber nicht leisten. "Corona hat hier kein neues Problem aufgezeigt, sondern ein altes verschärft", sagt Martin Schenk. Schon in den vergangenen Jahren hatten zwischen fünf und neun Prozent der Eltern den Wunsch, bezahlte Nachhilfe für ihre Kinder zu bekommen, eine solche aber nicht erhalten. "In der Corona-Krise hat sich der Anteil an Eltern, deren Kinder keine Nachhilfe bekommen, obwohl sie eine brauchen, vervielfacht."

Reform der Schüler:innenbeihilfe

Dringend reformbedürftig sind auch die Grundleistungen, die Schüler:innen aus einkommensschwachen Elternhäusern unterstützen sollen. Die Auszahlung der Schülerbeihilfe sollte beispielsweise auch die 9. Schulstufe erfassen. Gerade hier gibt es hohe Kosten im Ausbildungsjahr - und die Ausbildungsentscheidung steht an.

Ein weiteres Problem ist die Inanspruchnahme: Viel zu wenige Kinder, die sie brauchen könnten, wissen davon. 2010 wurden noch 39 Mio Euro an einkommensschwache Kinder ausbezahlt, 2020 nur mehr 21 Mio. Die Inanspruchnahme ist auf einem Tiefstand, obwohl der Bedarf groß wäre.

Schulausgleichsfonds umsetzen

Bei Finanzierungshilfen für Schulveranstaltungen gilt derzeit: Es  gibt es keinen Rechtsanspruch, die Einkommensgrenzen sind in der Regel sehr niedrig angesetzt und viele nehmen das, was ihnen zustehen würde, nicht in Anspruch (hohe Non-take-up-Raten).

All das zeigt: Hier gibt es großen Reformbedarf. Der Zugang muss leichter gemacht werden, etwa durch bessere Information und einfachere Unterstützung in den Schulen. Weiters muss  ausreichend Geld zur Verfügung stehen, um die betroffenen Schüler:innen nirgends auszugrenzen. Ein gut dotierter Schulausgleichsfonds ist dafür notwendig.

Gute Mindestsicherung statt schlechter "Sozialhilfe"

Die Krise zeigt: Gerade jetzt wäre eine gute Mindestsicherung wichtig, statt einer schlechten "Sozialhilfe", die Menschen in Existenznöten und Notsituationen nicht trägt. Mit der Abschaffung der Mindestsicherung wird Gegenwart und Zukunft für diese Kinder noch weiter verschlechtert. Die wichtigen Faktoren für die Entwicklung von Kindern sind aber: Gesundheit, Anerkennung und Förderung - nicht Beschämung und Existenzangst. Wir müssen uns mehr darum kümmern, die notwendigen Rahmenbedingungen für ein gutes Aufwachsen zu gewährleisten.

Chancenindex für benachteiligte Schulstandorte: Jetzt!

Für einige Schulen bringt das neue Schuljahr eine Veränderung, die die Diakonie schon lange für ganz Österreich fordert: den sogenannten Chancenindex. Dieser soll dafür sorgen, dass Schulen an benachteiligten Standorten zusätzlich unterstützt werden. Dass ein gut umgesetzter Chancenindex funktioniert, und die Bildungschancen unserer Kinder erhöht, zeigen viele internationale Beispiele - man braucht nur nach Hamburg, in die Niederlande oder auch nach Kanada zu schauen.

Aber: So, wie er jetzt in Österreich umgesetzt werden soll, muss man leider von einem Chancenindex light sprechen.

Das Projekt ist nämlich auf bloß 100 Schulen beschränkt und befristet. Diakonie Sozialexperte Martin Schenk: "Hier verschwendet die Regierung wertvolle Zeit. Es braucht eine flächendeckende Einführung des Chancenindex in ganz Österreich." Wichtig ist außerdem: Ein richtiger Chancenindex bedeutet, dass benachteiligte Schulstandorte zusätzlich Mittel erhalten, um Schüler:innen zu fördern - allerdings nicht auf Kosten anderer Schulen. Man darf also nicht den einen Schulen, die gute präventive Arbeit leisten, um ihren Schulstandort zu stärken, Mittel wegnehmen für andere Schulen, die es noch schwerer haben.

Aktion Schulanfang: Schulsachen für Kinder armer Eltern

Zur Akuthilfe für Kinder, deren Eltern sich den Schulstart nicht leisten können, hat die Diakonie ein Spendenkonto eingerichtet. "Alle Schülerinnen und Schüler sollen gleiche Chancen und Möglichkeiten haben", so die Diakonie abschließend. 

Ihre Ansprechperson zu dieser Pressemitteilung

Dr.in Roberta Rastl-Kircher
Pressesprecherin & Medienarbeit